Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
»Neue Gäste, nehme ich an. Oder?«
Meine Schwester schüttelte den Kopf. »Wir haben heute keine Anreise. Hier ist auch nur noch ein Einzelzimmer frei. Sie reisen
außerdem ohne Gepäck.«
Adelheid führte die beiden in den Gastraum und kam mit unschlüssiger Miene zurück.
»Die Herren hätten gern ein Frühstück.«
»Wir haben nur für Gäste Frühstück.«
Ines stellte ihren Becher ab, wollte an Adelheid vorbeigehen und wurde von ihr festgehalten.
»Warte mal. Der Ältere der beiden hat einen Termin mit Guntram. Und der Jüngere hat nach einem David Bruhn gefragt. Oder …«, sie machte eine kleine wirkungsvolle Pause und sah mich an, »… oder nach dir, Christine. Ich weiß nicht, was die wollen.«
Mein Puls setzte aus. Jetzt war es so weit, jetzt flog die ganze Geschichte auf. Guntram Bernd hatte seine Schnüffeleien beendet
und seinen Bericht abgegeben. Und Adelheid hatte die Presse oder die Polizei oder die Staatsanwaltschaft oder wer auch immer
hinter diesem Überraschungsbesuch steckte, geradewegs in den Frühstücksraum geführt. In einer halben Stunde würden sich alle
Gäste dort versammeln, mitsamt meinen Eltern, mit Pech hätte auch Gisbert von Meyer vergessen,dass er beleidigt war und würde gleich inklusive Fotoausrüstung auftauchen. Ach ja, und Tom könnte schließlich noch einen
Exklusivbericht für sein Magazin schreiben.
»Christine?«
Ich war zur Salzsäure erstarrt und konnte nichts tun als meine kleine Schwester hilflos anzustarren.
Sie
reagierte wenigstens.
»Ich sage David Bescheid.«
Ich hörte ihre schnellen Schritte auf der Treppe.
»Wer ist denn David?« Adelheid stellte zwei Tassen, Sahne und Zucker auf ein Tablett. »Willst du das gleich hinbringen? Wenn
sie sowieso zu dir wollen?«
»Ein Gast.« Ich antwortete tonlos. »David Bruhn ist nur ein Gast. Gestern angekommen.«
Axel stieß mich sanft an. »Ich kann das Tablett auch reinbringen. Ich muss sowieso nach der Wärmeplatte gucken, die wurde
gestern nicht heiß.«
»Im Blaumann.« Adelheid zog das Tablett entrüstet weg. »Ich muss doch bitten. Und repariert wird jetzt auch nichts. Los, Christine,
bring es rein. Ich sage schnell Guntram Bescheid, dass er erwartet wird.«
Sehr langsam, meine Augen fest auf die Tassen gerichtet, setzte ich einen Fuß vor den anderen, bis ich am Feindestisch angelangt
war. Einer von beiden, der ältere, hatte graues Haar, trug eine gut sitzende Wildlederjacke und eine teure Uhr. Er kam mir
bekannt vor, allerdings fiel mir weder ein Name noch ein Zusammenhang ein. Der andere war etwa in meinem Alter, wenig Haar,
randlose Brille, Vollbart.
»Guten Morgen.« Die Tassen klirrten, als ich das Tablett auf den Tisch setzte. »Zwei Kaffee.«
»Danke.« Der Jüngere lächelte mich an, der Ältere sah aus dem Fenster. »Haben Sie Frau Schmidt oder Herrn Bruhn schon erreicht?«
»Nein.« Ich wollte das hier nicht allein durchstehen. Ich würde mich zu erkennen geben, wenn Ines und David auftauchten, ich
fragte mich nur, wo sie blieben. »Aber Herr Bernd kommt gleich.«
»Gut.« Der Ältere nickte mir zu. »Vielen Dank für den Kaffee.«
Ich floh mit dem leeren Tablett und traf vor der Küchentür auf Ines.
»David ist nicht auf seinem Zimmer.« Ines sah mich ratlos an. »Vielleicht gehört er auch zur Joggerfraktion. Und nun?«
Ich hob die Schultern. »Ich kenne sie nicht. Noch nie gesehen. Das heißt, den einen doch, aber ich kann mich an nichts Genaueres
erinnern. Was machen wir denn jetzt? Mir ist ganz übel.«
Wir blieben unschlüssig stehen. Ines überlegte kurz und sagte: »Wir können ja erst mal abwarten, was sie mit Guntram Bernd
besprechen. Und ob David die beiden kennt.«
Zurück in der Küche ließen wir uns auf die Bank sinken. Axel wollte gerade etwas fragen, als Gesa kam.
»Guten Morgen zusammen.« Irritiert blieb sie stehen. »Ist was passiert? Ihr seht aus, als hättet ihr Gespenster gesehen.«
»Fast.« Ines drehte sich langsam zu ihr um. »Im Frühstücksraum sitzen zwei fremde Männer, die Guntram Bernd, David Bruhn und
Christine sprechen wollen. Wir glauben, dass wir gleich auffliegen. Das war’s wohl mit den schönen Geschichten.«
Entsetzt öffnete Gesa den Mund und schloss ihn wieder. Nach einem bedeutungsvollen Blick auf Axel, den sie natürlich noch
für Hausmeister Jurek hielt, starrte sie wieder meine Schwester an. Die winkte lässig ab.
»Ach, das weißt du ja noch gar nicht. Über Jurek musst du dir keine
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