Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
beiden Schwestern mal ganz alleine. Das ist doch nett
von ihm. Er will euch das unbedingt schenken.«
Wegen Johann und so. Es ging eigentlich niemanden außer mir etwas an. Warum wurde bloß alles immer gleich ein Familiendrama?
»Ich fahre aber nicht nach Dänemark. Auch wenn Papa das will. Und es sogar bezahlt.«
»Jetzt sei doch nicht so stur. Er macht sich Sorgen. Du hast ja nicht die beste deiner Lebensphasen.«
»Mama, bitte! Ich bin alt genug, um das selbst zu entscheiden.Und wenn Papa anfängt, sich Sorgen zu machen, geht sowieso wieder alles schief.« Ich hielt inne, wenn ich weiter ausholen
würde, käme gleich der Satz, dass sie nicht wüsste, von wem ich das hätte, und außerdem würde ich was Falsches sagen. Also
zählte ich bis drei und fuhr betont ruhig fort: »Und im Übrigen haben Ines und ich gestern Abend beschlossen, ein paar Tage
nach … Norderney zu fahren.«
Am anderen Ende blieb es einen Moment ruhig. Nur einen Moment. Dann kam die erstaunte Frage: »Zu Marleen?«
Ich hätte es mir denken können, trotzdem zuckte ich zusammen.
»Nein, nicht zu Marleen. Sie hat uns ein ganz tolles Hotel empfohlen, den ›Seesteg‹, ganz schön, mit Wellness, super Küche,
schönen Zimmern und allem Drum und Dran. Und wir haben gedacht, wenn Papa so spendabel ist, dann können wir es uns dort auch
nett machen. Und deshalb haben wir sofort gebucht, gestern Abend noch, die hatten nämlich gerade eine Absage, und deshalb
klappte das. Toll, oder? Und wir freuen uns ja so.«
Ich biss mir auf die Unterlippe, wieso faselte ich eigentlich so viel Blödsinn? Weil ich einfach nicht gut lügen konnte. Hoffentlich
nahm meine Mutter mir diese Rede ab.
Sie tat es. »Das ist eine gute Idee. Und ihr könnt Marleen ja besuchen, wenn ihr schon nicht bei ihr wohnt. Ach, und dann
guckt doch auch bei Hanna und Kalli vorbei. Sie sind unsere ältesten Freunde und freuen sich, wenn ihr mal zum Essen kommt.«
Erleichtert antwortete ich: »Ja, mal sehen. Erst mal machen wir keine Pläne, sondern Urlaub. Und wir melden uns auch nicht.
Wir wollen eigentlich unsere Ruhe haben.«
»Natürlich.« Die Stimme meiner Mutter klang sehr weich, sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen. »Aber Papa will sowieso
nachher noch Kalli anrufen, er kann euch ja schon mal ankündigen. Für irgendwann.«
»Nein, Mama, bitte nicht. Du kennst doch Kalli. Wir gehen da einfach mal vorbei. Du, ich muss jetzt auch Schluss machen.«
»Ja, klar. Also dann, viel Spaß. Ach so, wie lange bleibt ihr denn im ›Seesteg‹?«
Ich schluckte trocken. »Ines hat ja zwei Wochen Urlaub. Ich komme dann mit ihr zurück.«
Hoffentlich, dachte ich inbrünstig und klopfte dreimal auf meinen Holztisch.
Nachdem ich ein letztes Mal erfolglos versucht hatte, Johann zu erreichen, packte ich mein Auto und machte mich auf den Weg
zu meiner Schwester.
»Ist es schon so spät?« Erschrocken sah Ines auf die Uhr, als ich ihre Wohnung betrat. »Tatsächlich. Ich bin noch gar nicht
ganz fertig.«
Das war nichts Neues, das hatte sogar eine beruhigende Tradition. Die Welt ging unter, aber meine Schwester kam trotzdem zu
spät. Als sie noch zur Schule ging, fuhr meine Mutter das Kind durchschnittlich dreimal in der Woche mit dem Auto zum Unterricht,
so oft verpasste Ines nämlich den Bus. Meine Mutter trug bei diesen Fahrten immer einen verschossenen gelben Bademantel, der
ihr etwas zu klein war. Erst nach einer sehr peinlichen Polizeikontrolle wurden diese Privatfahrten eingeschränkt und Ines
morgens auch schon mal angebrüllt. Geholfen hatte es nichts.
»Ich habe auch nicht damit gerechnet, dass du schon fertig bist.« Ich stieg über ihre Tasche, die mitten im Flur stand, und
ging in die Küche. »Beeile dich, die Fähre wartet nicht auf uns. Hast du noch einen Kaffee?«
»In der Kanne«, antwortete sie und verschwand in ihrem Schlafzimmer.
Während ich den Kaffee trank, ihre Spülmaschine ausräumte, den Tisch abwischte und das ›Hamburger Abendblatt‹ vonvorn bis hinten las, packte sie ihre Sachen zusammen und stand wieder vor mir.
»So, fertig. Ging doch ruck, zuck. Ich weiß gar nicht, warum du immer so hetzt. Hast du diesen Anwalt erreicht?«
»Ja. Erzähle ich dir dann auf der Fahrt. Wir müssen los, hast du jetzt alles?«
»Ich muss nur noch meine restlichen Lebensmittel einpacken, das wird ja alles schlecht, bis ich nach Hause komme. Wer weiß,
wie lange die ganze Rettungsaktion dauert. Und das kann man doch
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