Keine Angst vor Anakondas
Entschlossenheit um ihr Leben kämpfen, wenn sie sich bedroht fühlen. Tiere kennen keine moralischen Schranken – sie wehren sich ohne Rücksicht und Gnade.
Tierfilmer wissen, dass sich der gewünschte Sicherheitsabstand von Tierart zu Tierart und von Individuum zu Individuum unterscheidet. Auch wenn sie ihn respektieren – es bleibt immer ein Restrisiko. Tiere sind nie vollkommen berechenbar. Selbst die Tagesform des einzelnen Tieres spielt eine wichtige Rolle: Vielleicht ist es gerade an dem Tag, an dem es gefilmt wird, besonders schlecht gelaunt, hatte einen Kampf um die Rangordnung, ist hungrig oder krank. Insbesondere wenn es um den Schutz der Nachkommen geht, reagieren Elterntiere oft anders oder energischer als gewohnt. Dann greifen selbst harmlose Singvögel große Räuber an, attackieren diese mit ihren spitzen Schnäbeln, um Nest und Nachwuchs zu schützen.
Besonders gefährlich wird es, wenn gar nicht bemerkt wird, wie nah man einem Tier kommt. Im Camp der Anakondaexpedition nach Guyana wäre beinahe einer unserer Leute auf eine hochgiftige Lanzenotter ( Bothrops atrox ) getreten. Er war morgens aufgestanden und trug lediglich Flipflops. Einen Schritt weiter – und die Katastrophe wäre eingetreten. Im letzten Moment erkannte er die Gefahr. Zum Glück war die Lanzenotter morgens nach einem Regenschauer noch nicht auf Betriebstemperatur. Als Kaltblüter ist eine Schlange von der Umgebungswärme abhängig, in der Morgenkühle war sie noch etwas steif und langsam in ihren Reaktionen. Laut wurde nach mir gerufen. Ich packte die Giftschlange mit einem professionellen Schlangengreifer und steckte sie in einen Leinensack. Später wurde es ernst für mich, die Giftschlange sollte gefilmt werden. Die Kameras und Licht waren aufgebaut, ich ließ sie aus dem Beutel gleiten. Wie ein Blitz schoss sie in Richtung Wald davon. Mit dem Tempo und dieser Agilität hatte keiner von uns gerechnet. In Campnähe wollte sie ganz sicher keiner von uns haben. Ich bin also hinterhergesprintet und habe sie nur mit größter Mühe mit der Greifzange wieder einfangen können. Bewegte Bilder, in denen sie normal schlängelt, waren mit ihr kaum möglich. Ich war froh, als der Dreh vorbei und die Schlange endlich wieder im Beutel war. Später habe ich sie auf der anderen Flussseite freigelassen. Unsere Guyaner hätten lieber mit der Machete kurzen Prozess mit ihr gemacht.
Schlangenbisse sind besonders verheerend. Pro Jahr werden etwa fünf Millionen Menschen von Schlangen gebissen. 125 000 sterben daran. Viele Unfälle mit Giftschlangen wären durch einfache Sicherheitsmaßnahmen zu verhindern: Da die meisten Schlangen unterhalb der Fußknöchel zubeißen, sind lange Hosen und festes Schuhwerk im Gelände absolute Pflicht. Ausgerechnet der Gottvater des deutschen Tierfilms, Bernhard Grzimek, verhielt sich diesbezüglich absolut leichtsinnig: Er trug immer nur Sandalen. Gutgläubig ging er davon aus, dass die Tiere ihm nichts Böses wollen. Doch bei einer Giftschlange kann das ein tödlicher Fehler sein. Bernhard Grzimeks Weigerung, festes Schuhwerk zu tragen, hatte keine Konsequenzen für ihn. Er starb 1987 während einer Vorstellung des Zirkus Althoff in Frankfurt am Main im Alter von 77 Jahren.
Sein Sohn Michael Grzimek hatte weniger Glück. Ganz Deutschland trauerte, als er 1959 bei den Dreharbeiten zu Die Serengeti darf nicht sterben mit seiner kleinen Zebralook-Propellermaschine abstürzte und an den Verletzungen starb. Ein ähnliches Schicksal ereilte Philippe Cousteau, der 1979 bei einem Unglück mit einem Wasserflugzeug ums Leben kam. Bei all den Abenteuern, die er unter Wasser erlebte, erscheint es geradezu als eine Ironie des Schicksals, dass er so und nicht durch einen Haiangriff oder einen Tauchunfall ums Leben kam.
Für den Film Nomaden der Lüfte wurden Vögel während ihres Fluges von kleinen Leichtbau-Flugzeugen aus gefilmt. Ganze sieben Mal stürzten diese Miniflieger während der jahrelangen Dreharbeiten ab – wie durch ein Wunder wurde kein Pilot ernsthaft verletzt. Götz-Dieter Plage war dies nicht vergönnt. Er filmte in luftigen Höhen die verborgen lebenden Tiere in den Wipfeln von riesigen Urwaldbäumen aus einem Ultraleicht-Flugzeug heraus. Bei einem seiner Ausflüge drückte ihn plötzlich eine heftige Böe gegen einen großen Baum. Plage hatte keine Chance, mit seinem Flieger auszuweichen. Er überlebte den Crash und den folgenden Sturz nicht. Götz-Dieter Plage war einer der ganz Großen unter den
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