Keine Angst vor Anakondas
Tierfilmern, der seine Leidenschaft zum Beruf gemacht und dem Bernhard Grzimek viel zu verdanken hatte.
Naturfilmer leben gefährlicher als Menschen mit einem Schreibtischjob. Aber die Gefahr, durch Unfälle, Überfälle oder Krankheiten die Gesundheit einzubüßen oder gar das Leben zu verlieren, ist viel größer als die Gefahr, die von den gefilmten Tieren ausgeht. Es sind nicht die großen Lebewesen, die am meisten Unheil anrichten. Die Palette der tropischen Krankheitserreger, die eben auch ins Reich der Tiere gehören, ist vielfältig. Der Malariaerreger Plasmodium zum Beispiel ist so groß wie ein rotes Blutkörperchen und tötet nach Angaben des Robert-Koch-Instituts jährlich zwischen 1,7 und 2,5 Millionen Menschen. Einen absoluten Schutz mittels moderner Medizin wird es nie geben. Diese Gefahr besteht für jeden, der sich in entsprechende Regionen begibt.
Menschen schockt es, wenn sie erfahren, dass einer der ihren von einem Tier verletzt oder getötet wurde. Jeder tödliche Unfall in einem Zoologischen Garten steht am nächsten Tag groß in der Presse, und es wird im Fernsehen darüber berichtet. Dies ist dem archaischen Grauen der Menschen davor geschuldet, von einem Tier verletzt, getötet oder sogar gefressen zu werden. Daraus lässt sich Kapital schlagen. Spannung wird durch Gefahren erzeugt. Die Urängste vor Tieren werden angesprochen und bedient. Darum funktionieren Schocker wie der Weiße Hai von Steven Spielberg oder Die Vögel von Alfred Hitchcock so gut. Naturfilmer werden gerne als mutige Helden und Abenteurer verehrt, die sich in Gefahr begeben und vor den wilden Tieren ihre Kameras aufbauen. Dieses Image wird tatsächlich bedient, von dem einen mehr, von dem anderen weniger. Und einige wiederum verzichten ausdrücklich darauf. Und so manche suggerierte Gefahr gab es gar nicht und wurde erst im Schnittraum bzw. beim Vertonen des Films kreiert. Steve Irwin aber begab sich wissentlich in echte Gefahr, indem er den Tieren viel zu nahe kam. Immer wieder.
Seeschlangen
Status: giftigste Reptilien
Verbreitung: Indo-Pazifik
Vergiftungen pro Jahr: Hunderte Bisse, viele Todesfälle
Sie entdecken eine unglaublich große, abgeplattete Seeschlange ( Astrotia stokesii ) von ca. 180 Zentimetern Länge. Der Crocodile Hunter springt zu ihr ins Wasser und treibt seine Flossen schlagend vor ihr her. Er will sie an sich gewöhnen. Die Schlange schwimmt auf ihn zu, ihr Kopf ragt aus dem Wasser. Sie ist nur zehn Zentimeter von ihm entfernt. Wenn sie jetzt vorschnellt und zubeißt, gäbe es kein Entrinnen für Steve. Im Wasser wäre er viel zu langsam. In diesem Moment ist in Steves Mimik die Anspannung zu sehen. Jetzt kommt es darauf an, ob die Seeschlange angreift. In diesem Moment ist er ihr ausgeliefert, auf ihre Gutmütigkeit angewiesen. Steve wird nicht gebissen. Die Seeschlange schwimmt entspannt wirkend an ihm vorbei.
Steve berührt sie, hebt sie dann vorsichtig aus dem Wasser und hält sie vor die Kamera. Die Schlange lässt sich alles von ihm gefallen. Gnadenlos betatscht er mit seinen Fingern die randvoll gefüllten Giftdrüsen. Andere Schlangen hätten sich spätestens jetzt umgedreht und zugeschlagen. »Look at this …«, beginnt er, wie so oft, mit einem breiten Grinsen seine Erläuterung – ein weiteres Markenzeichen vom ihm. »Seeschlangen sind die giftigsten Schlangen überhaupt!« Steve ist jetzt richtig in Fahrt. »Dies ist die größte Seeschlange, die es gibt, und von allen hat diese Art die längsten Giftzähne. Die sind lang genug, um Neoprenanzüge zu durchdringen!« Steve hat nicht einmal diesen Schutz, er steht in seiner kurzen Khaki-Kluft im hüfthohen Wasser. Seeschlangen müssen schon extrem gereizt werden, bevor sie zubeißen. Der Seeschlange gefällt es nicht, dass Steve mit ihr hantiert, sie am Wegschwimmen hindert. Er erzählt gerade, dass diese Seeschlangen die tödlich giftigen Steinfische fressen würden. Die giftigste Schlange frisst den giftigsten Fisch, das ist ganz nach dem Geschmack des quirligen Australiers. Plötzlich schießt die Seeschlange ein kleines Stück vor. Steve reißt seinen Arm zurück. Das Maul der Schlange war nicht einmal geöffnet. Das war eine Warnung. Steve weiß das, und kurz darauf lässt er sie von dannen ziehen. Noch einmal betont er, dass Seeschlangen wunderschön sind und es absolut nicht stimmt, dass sie darauf aus sind, Menschen zu töten. Den Beweis dazu hat er soeben geliefert.
Das Glück, beziehungsweise das Geschick, das Steve mit
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