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Keine Angst vor Anakondas

Keine Angst vor Anakondas

Titel: Keine Angst vor Anakondas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Dirksen
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vor mir.
    Einen großen Berg aus nahrhaften Proteinen hatten die Ameisen in meinem Zelt aufgespürt – mich! Mit einem ersten Biss in meine Hand leiteten sie gerade den Beutezug ein. Ich wurde überfallen, angegriffen! Noch nie bin ich so schnell aus meinem Zelt gekrochen wie damals. Von draußen wurde mir die Tragweite des Angriffs erst richtig bewusst. Mein Zelt stand wie eine Verkehrsinsel mitten im Strom der Ameisen. Ein Drittel des Igluzeltes war mit wuselnden schwarzen Treiberameisen bedeckt. Eines der oberen Lüftungsgitter aus Gaze war von ihnen bereits zerbissen worden. So hatten sie sich Zugang ins Innere verschafft. Ein feines, kaum wahrnehmbares Rascheln erfüllte die Luft. In meiner Fantasie klang es eher wie ein kriegerisches Raunen der angreifenden Ameisen auf der Zeltplane und im abgefallenen Laub.
    Ich richtete die Scheinwerfer des Jeeps auf das unter Angriff stehende Zelt. Dann zog ich es an einer freien Seite von dem Ameisengewimmel weg. Wie gut, dass ich keine Zeltheringe in dieser windstillen Nacht benutzt hatte! Der Schlafsack war schnell aus dem Zelt gezogen und ausgeschüttelt. Die verbleibenden Ameisen streifte ich kurzerhand ab. Doch wie sollte ich die Massen von Treiberameisen in meinem Zelt wieder loswerden? Plötzlich wusste ich genau, was zu tun war, und holte das Insektenspray aus dem Gepäck im Jeep, das ich wegen moskitoverseuchter Zimmer dabeihatte. Zischend wurde das Zelt von innen und außen eingenebelt. Kläglich verendeten Tausende dieser gefräßigen Raubinsekten. Die Nacht verbrachte ich dann sitzend im Jeep, das Zelt war durch den unerträglichen Gestank des Insektizids unbewohnbar geworden. Noch Tage danach kostete es mich große Überwindung, mich wieder ins Zelt schlafen zu legen.
    »Voll krass, dein Abenteuer sollte verfilmt werden, obwohl es ja schon die Ameisen-Horrorfilme Formicula und Phase 4 gibt.« Im ersten Film mutieren Ameisen durch radioaktive Strahlung zu riesigen Monstern, und im zweiten wird eine Gruppe Wissenschaftler in einer Ameisenforschungsstation selbst zum Experiment der Ameisen. Jörgs Augen leuchten, Insekten begeistern ihn über alle Maßen.
    »Eigentlich ist es unfair, die Ameisen als Horrortiere darzustellen. Die machen Beute wie andere Tiere auch. Wenn ein Seehund einen Hering fängt, dann kräht kein Hahn danach«, gebe ich zu bedenken.
    »Vergiss es, wir sind nicht objektiv, daran kannst du nichts ändern! Angst und Ekel vor Krabblern, glitschigen Schlangen und schleimigem Gewürm stecken viel zu tief in uns drin. Da kannst du machen, was du willst!«
Der Fall des Krabblers
    Sie hat losgelassen. Freier Fall. Der Boden ist bereits zum Greifen nah. Acht Beine federn den Sturz ab. Die Erdanziehungskraft meint es gut mit dem kleinen, leichten Tierchen. Die Fallgeschwindigkeit ist vergleichsweise gering, auch ohne Flügel oder aufgespannte Häute. Alles in allem ist der freie Fall selbst keine besondere Herausforderung für diesen Krabbler. Das kommt vor. Hingegen ließ ein Lüftchen, das ihn plötzlich umwehte, alle Alarmglocken schrillen. Der Wind hatte sehr plötzlich eingesetzt. Der mochte den Krabbler erschrecken, aber nicht zum Fallenlassen nötigen. Es waren diese verräterischen Partikel in der Luft, Duftmoleküle, die eine gefährliche Nähe zu einem potenziellen Räuber anzeigten. Und dann der riesenhafte Schatten! Es liegt in der Natur der Kleinen, sich von ungeheuer großen Lebewesen fernzuhalten. Außer vielleicht es bestünde die Absicht, das riesenhafte Wesen zu stechen oder zu beißen, um sich eine Portion seines strömenden Lebenselixiers einzuverleiben. Unser Krabbler aber will weder beißen noch stechen. Er will einfach nur weg. Auf dem Boden angekommen, legt er los und sucht nach einem Versteck.
    Kurt Hirschel würde sich selbst nicht als ungeheuer großes Lebewesen bezeichnen, auch wenn er in menschlichen Dimensionen groß und schlank ausfällt. Es ist eine Sache der Relation, ob das Gegenüber riesig oder winzig ist. Im Vergleich zum kleinen Krabbler, einer Spinne, ist er ein Koloss. Vielleicht wäre es für uns Menschen eine ähnliche Erfahrung, wenn wie aus dem Nichts plötzlich ein kolossaler Wal neben einem Taucher das Wasser verdrängte und sein Auge ganz nah an ihn heranbugsierte. Immerhin würde uns der Wal unter Wasser nicht anhauchen, wie Kurt Hirschel es mit der Spinne tat.
    Mit dem Ergebnis seines Versuches, der Spinne Leben einzuhauchen, ist Kurt Hirschel ganz und gar nicht zufrieden. Er war entnervt vom reglosen

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