Keine Angst vor Anakondas
vielfältig und schillernd wie die Tiere selbst. Gerade die Vielfalt aber bedingt, dass für jeden Zuschauer etwas Geeignetes dabei ist.
Ein Grizzly, der nur ein paar Beeren frisst oder streunend herumläuft, erscheint dem Zuschauer vielleicht zunächst langweilig. Doch oft ist es gerade der Alltag eines Tieres, der es uns näherbringt. Wir beginnen sie dann mit uns zu vergleichen und nur zu oft erstaunliche Parallelen zu entdecken. Bären sind eben nicht nur die gefährlichen Raubtiere. Schaut man genauer hin, entdeckt man ungeahnte, feinfühlige Wesenszüge. Wenn sie den Bauch voll und Muße haben, können sie sich das Leben richtig schön gestalten. Dann legt sich der Grizzly nicht einfach irgendwohin, sondern schaut vorher ganz penibel, wo ein Stein ist, den er beim Schlafen an die Backe drücken könnte.
Vorsicht aber, wenn es um die Fortpflanzung geht! Wenn die Hormone wallen, Weibchen hochtragend oder in der Nähe ihre Jungen versteckt sind, dann reagieren nicht nur Bären angespannt.
Andreas Kieling geht es darum, den Zuschauern zu vermitteln, wie Tiere wirklich leben. Potenziell gefährliche Tiere stürzen eben nicht automatisch auf jeden Menschen los, um ihn zu töten und zu fressen. Eine verheerende Modewelle schwappt aus den USA zu uns herüber, in der die Tiere entweder nur noch süß und putzig – oder extrem gefährlich, aggressiv, supergiftig oder sogar für den Menschen tödlich sind. Etwas dazwischen scheint es nicht mehr zu geben. Gerade die privaten Sender sind sehr erpicht darauf, mit extremen Aufnahmen eine möglichst hohe Zuschauerquote zu erzielen. Aber auch bei den öffentlich-rechtlichen deutschen Sendern spielt die Quote eine Rolle. Die Tierfilmer kommen nicht darum herum, den Zeitgeist zu treffen und ihre Filme derart zu gestalten, dass ein möglichst großes Publikum angesprochen wird.
Es ist der Mensch, der einem gutmütig erscheinenden Bären Sympathie unterstellt, nur weil der nicht angreift. Der wilde Bär lebt einfach nur seine Bärenexistenz, er ist ein Tier ohne Skrupel und ohne moralische Vorstellungen. Diese Existenzweise beinhaltet unter anderem, dass paarungswillige Männchen die Jungen einer Mutter töten, um diese dann selbst zu schwängern. Ein Verhalten, das so gar nicht in das süße, vollkommen vermenschlichte Bären-Image passen will, das wir unter anderem durch den Berliner Zoo-Eisbären Knut gewonnen haben.
Die tickende Uhr
Es war bereits der 13. Sommer, in dem Timothy Treadwell, der selbst ernannte Retter der Bären, in die Wildnis Alaskas reiste. Mit den Jahren suchte er immer intensiveren Kontakt zu den Bären. Leute, die ihm begegneten, beobachteten, dass er sich wie ein Bär zu verhalten suchte und die Leute sogar anknurrte. In diesem Sommer gesellte sich während der letzten beiden Monate seine Freundin Amie Huguenard zu ihm. Amie war eine 37-jährige Arzthelferin, die sich bei »Grizzly People« engagierte und eigentlich Angst vor Bären hatte.
Es war der 5. Oktober 2003, als ein Grizzly im Nirgendwo Alaskas über das kleine Camp der beiden herfiel. Man wird nie erfahren, ob es in der Pfanne brutzelnde Eier mit Speck waren, die den Bären anlockten. Oder einfach sein unbändiger Hunger, der ihn vor dem Winter dazu trieb, jenseits seines normalen Beuteschemas noch auf Raubzug zu gehen. Seine Nase fungierte als Navigator, sein Hunger als Motivation. Als er das Zelt entdeckte, nahm die Tragödie ihren Lauf. Als der hungrige Grizzly angriff, gelang es Timothy Treadwell sogar noch, seine Kamera einzuschalten. Das spätere Abspielen des Filmmaterials ergab jedoch, dass der Vorfall nur als erschütterndes Tondokument vorliegt. Es war ihm nicht mehr gelungen, den Objektivdeckel von der Linse zu nehmen.
Nur einen Tag später, am 6. Oktober, wartete Treadwells Freund Fulton vergeblich auf ihn und seine Freundin. Wie jedes Jahr wollte er Treadwell, dieses Jahr zusammen mit Amie Huguenard, noch vor dem nahenden Winter aus der Wildnis abholen. Fulton war mit seinem Wasserflugzeug gelandet, doch seine Passagiere erschienen nicht zur vereinbarten Zeit. So machte sich der Pilot zu Fuß zum nahe gelegenen Camp des Bärenliebhabers auf. Auf seine Rufe hin blieb alles ruhig, er spürte aber, dass etwas nicht stimmte. Mit gesträubten Nackenhaaren beschloss er, zum Flugzeug zurückzugehen. Da wurde er gewahr, dass ihm ein angriffsbereiter Bär mit gesenktem Kopf folgte. Fulton rannte zum Flugzeug, band es los, startete den Propeller, hob ab und überflog das Camp. Ein
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