Keine E-Mail fuer Dich
sich ausschließlich mit Zahlen und Aktienkursen, Zeit in Gefühle und Kommunikation zu investieren, hält er für überflüssig. Ein Mensch, der sich bisher nicht wirklich mit anderen Menschen beschäftigt hat und es auch gar nicht will und noch viel weniger kann, sondern erwartet, dass alle Menschen so funktionieren, wie er es möchte.
In der Therapie setzt sich Sven eher zögerlich mit seinen eigenen Gefühlen auseinander, sind diese doch geprägt von Enttäuschung und Verlust. Seine Mutter starb an Krebs, als er zehn Jahre alt war. Sein Vater zog sich daraufhin von der ganzen Familie zurück. Sven hat daraus die negative Annahme entwickelt, dass man sich auf niemanden verlassen kann und alles alleine machen muss. Nach vielen Wochen in der Praxis hat Sven es endlich geschafft zu weinen. Sich auf eine Beziehung mit einem anderen Menschen einzulassen, ist für ihn gefährlich, und er muss vorsichtig sein. Darum fühlt sich Sven allein vor seinem Computer am wohlsten, dennoch sehnt er sich nach einer Beziehung.
Gerne würde ich von einem Meinungsforscher wissen, ob dieses Fallbeispiel zeigt, dass dieser Mensch durch Internetnutzung sozial aktiver ist und sich nicht einsam fühlt. Meiner Meinung nach fördert Internetnutzung eher, dass Sven sein Beschwerdebild aufrechterhält.
Die Initiative D21 (Netzwerk für die Digitale Gesellschaft) gibt jährlich den (N) ONLINER -Atlas und eine Studie, durchgeführt von TNS Infratest, heraus, eine Datensammlung zur Online-Nutzung in Deutschland. Die jährliche Studie analysiert den Zustand Deutschlands im Informationszeitalter. Die Bevölkerung wird dazu in sechs unterschiedliche Nutzertypen eingeteilt: der digitale Außenseiter, der Gelegenheitsnutzer, der Berufsnutzer, der Trendnutzer, digitale Profis und die »digitale Avantgarde«. Untersucht wird die Verteilung von Alter, Geschlecht, Bildungsgrad, Berufstätigkeit, Haushaltseinkommen, Haushaltsgröße und Familienstand in diesen sechs Nutzergruppen. Außerdem wird überprüft, was prozentual im Internet am meisten genutzt wird (z. B. Online-Banking, Reisen buchen, einkaufen, spielen, sich über Preise informieren, Musik hören oder downloaden, Nachrichten lesen, Videos anschauen, chatten, E-Mails schreiben, Fotos ins Netz stellen usw.). Auch Meinungen und Einstellungen zum Internet werden abgefragt.
Das Ergebnis: Kommunikationsjunkies sind vernetzter, informierter und haben mehr Wissen. Aber sind sie auch glücklicher? Leben sie in intakten Beziehungen? Haben sie einen guten Draht zu ihren Eltern? Was erleben sie in der »Offline-Welt«?
Begeisterte Befürworter der digitalen Revolution gehen davon aus, dass sich die Digital Natives , die unter den Bedingungen der digitalen Medienwelt aufwachsen, zur besten Generation aller Zeiten formen könnten. Junge Leute hätten heute einen viel besseren Zugang zu Informationen, welche zudem hinterfragt und diskutiert werden können. Sie könnten schneller als Erwachsene zwischen Tätigkeiten hin- und herschalten, dadurch entstehe Effizienz und eine Optimierung der menschlichen Fähigkeiten. Dem entgegen steht, dass Digital Natives die gleichen Grundbedürfnisse haben wie Generationen vor ihnen, denn sie sind ja auch nur Menschen. Auch sie haben das Bedürfnis nach Sicherheit, sozialen Beziehungen, körperlicher Nähe, Aufmerksamkeit, Anerkennung oder Selbstverwirklichung. Diese »optimierte effiziente Maschine« namens Digital Native hat trotzdem Gefühle, und sie kann auch noch denken.
Wer Zugang zu seinen Gefühlen hat, kann sich entscheiden. Durch das Überangebot bleiben viele an der Oberfläche. Ein großes Problem unserer digitalen Welt mit all ihren Apps und Informationen ist es, die richtige Entscheidung zu treffen. Zu viel Auswahl überfordert den Menschen, nicht nur hier, sondern generell. Hätte ich im Supermarkt nur die Wahl zwischen drei Joghurtsorten, z. B. Natur, Erdbeere und Kirsche, wäre für mich die Welt in Ordnung. Ich wähle den Erdbeerjoghurt und bezahle an der Kasse. Unsere Konsumwelt sieht allerdings anders aus. Ein meterlanges riesiges Kühlregal steht vor mir, Hunderte Becherchen lachen mich an, und ich soll nun die richtige Auswahl treffen. Ich habe nun mehrere Möglichkeiten, und die Gefahr einer falschen Entscheidung ist dabei groß: Entweder kaufe ich das Falsche und werde hinterher mit meiner Auswahl wahrscheinlich unzufrieden sein. Oder ich entscheide mich für den Joghurt, den ich immer esse. Oder ich kaufe gar nichts und flüchte. Der
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