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Keine E-Mail fuer Dich

Keine E-Mail fuer Dich

Titel: Keine E-Mail fuer Dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Kuehne
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ertragen. Doch die Stille »fängt« uns alle, spätestens nachts. Da startet die Informationsverarbeitung. Da beginnt das Nachdenken über sich selbst, das Grübeln, das Weinen, und zeigt sich in Einschlaf- und Durchschlafstörungen. Am Morgen danach sind viele der Meinung, etwas stimme nicht mit ihnen und man brauche eine Psychotherapie.
    Die Informations- und Aktivitätsüberflutung ist dafür verantwortlich, dass wir in ständigem Stress und andauernder Überforderung leben. Selbst beim Zusammensein mit anderen Menschen in der Realität werden digitale Medien genutzt. Es ist davon auszugehen, dass diese Entwicklung noch nicht beendet ist und die Beschäftigung mit Medien und Informationen einen noch dominanteren Stellenwert bekommen wird. Wir müssen ständig konkurrenzfähig und vernetzt sein, eine ständige Datenflut aufnehmen und verarbeiten. Dadurch leben wir in permanentem Aufmerksamkeitsstress, und für Affektivität bleibt immer weniger Zeit. Die Affektivität – unter der man die Gesamtheit des Gefühls- und Gemütslebens, die sich aus Stimmung, Emotion und Motivation zusammensetzt, versteht – ist bei den meisten gestört. Wann können wir uns erholen und wie zur Ruhe kommen? Nachts?
    Trotz verstärkten Medienkonsums werden andere Freizeitaktivitäten nicht grundsätzlich vernachlässigt oder aufgegeben. Die Zeit wird bei realen Kontakten mit Menschen eingespart, denn durch technische und zeitsparende Optimierungen der Neuen Medien wird dann digital kommuniziert. Aktivitäten finden zunehmend parallel statt, z. B. Musik runterladen und chatten, an der Supermarktkasse stehen, bezahlen und telefonieren. Gerade junge Leute werden so schon früh zu Multitaskern. Dadurch werden Leerlaufzeiten bzw. Zeitintervalle, in denen man einfach nichts tut oder nachdenkt, immer geringer. Ruhephasen, in denen abgeschaltet wird, reduzieren sich zunehmend. Man ist medial immer auf Empfang oder Sendung. Dies hat Auswirkungen und bewirkt tief greifende Veränderungen auf unser aller sozialer Interaktion, Emotion, Wahrnehmung, kognitive Prozesse wie Aufmerksamkeit und Gedächtnis und auch Lernverhalten. Es stellt sich die Frage nach einer Überreizung.
    Nicht nur Informationen nehmen immer mehr zu, sondern auch die Aufgaben. Dies haben wir der Schnelligkeit der technischen Kommunikationsmittel zu verdanken. Unsere natürliche Grenze ist die Zeit. In dieser Zeit müssen wir immer mehr schaffen. Weil uns das nicht so recht gelingt, versuchen wir Dinge parallel zu regeln. Viele Menschen berichten ganz stolz, wie »multitaskingfähig« sie doch sind. Sie telefonieren und mailen gleichzeitig und müssen ihre Aufmerksamkeit teilen. Doch sie vergessen, dass Kommunikation ein komplexer Vorgang ist.
    Denn bei einer Unterbrechung und Ablenkung durch SMS oder E-Mail brauchen wir im Schnitt über zehn Minuten Zeit, um zu unserer ursprünglichen Aufgabe konzentriert zurückzukehren. Wir sind gefangen in einem ständigen Wechsel zwischen Aufgaben und digitalen Interaktionen. Unsere Zeit wird immer wieder zerstückelt.
    Multitasking braucht mehr Zeit und steigert den gefühlten Stress. Bei konstanter Überforderung durch Multitasking können wir krank werden. Körper und Geist antworten mit Erschöpfung, Konzentrationsmangel, verminderter Leistungsfähigkeit und Frustration.
    Die Erwartung, dass jeder so schnell wie möglich auf Informationen reagieren soll, führt zu einer unschönen Kommunikationskultur. Es wird erwartet, dass auf E-Mails und SMS sofort geantwortet wird. Das kennt jeder aus seinem Alltag. Es sind eher Monologe statt Dialoge, es wird eher ein Status kommuniziert: »Ich bin in Paris«, »Ich habe keine Zeit«. Eine Gesprächstiefe kann so schwer erreicht werden. Wir nehmen die Oberflächlichkeit in Kauf, denn sie schont unseren Kopf.
    Nicolas Carr, Chefredakteur des Harvard Business Review , gibt kritisch zu bedenken, »dass Online-Aktivitäten im Internet eiliges und zerstreutes Denken und oberflächliches Lernen fördern«. Seine Argumentation ist stark an die Hirnforschung angelehnt, die nachweist, dass nachhaltiges Behalten von Informationen Wiederholungen und Ruhepausen erfordert, damit die Inhalte vom Arbeitsspeicher in das Langzeitgedächtnis transportiert werden können und zukünftig abrufbereit stehen, statt wieder vergessen zu werden. »Diese Zeit lässt uns das Internet aber nicht, weil es dazu einlädt, Informationen nur oberflächlich anzusehen und zur nächsten Information zu wechseln.«
    Zum Thema Internet

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