Keine Ferien ohne Pferde
er sich Mühe, so sanft und freundlich zu sein, wie er nur konnte.
„Es geht mir gut, danke.“ Maria hielt den Kopf in die Hände gestützt und schaute nicht auf.
„Ist sie verletzt?“, fragte der Bauer.
„Ich weiß es nicht.“ Nicholas seufzte. „Aber selbst wenn, will sie es wahrscheinlich nicht zugeben. Sie ist so …“
„Ich habe ein Seil auf dem Traktor.“ Der Bauer zündete sich eine Zigarette an. „Ich denke, das werden wir brauchen.“
Und während er das Seil holte und wortlos anfing, in regelmäßigen Abständen Knoten hineinzuknüpfen, wünschte Nicholas sich, dass der Tag endlich zu Ende gehen würde. ,Ich wäre am besten zu Hause geblieben‘, überlegte er. ,Das sollen nun Ferien sein! Das ganze Jahr freut man sich darauf – und nun so etwas!‘
„Ist dir immer noch übel, Maria?“, fragte er schließlich.
„Nein, mir geht es gut. Danke.“
Nicholas stöhnte leise. „Du sieht aber sehr blass aus. Und warum hältst du den Kopf so schief?“
„Vielleicht habe ich mir den Hals gebrochen.“
„Dann beweg dich nicht! Hörst du?“ Der Junge hatte irgendwo einmal gelesen, dass man an einem gebrochenen Genick sterben kann. „Du darfst dich auf keinen Fall bewegen.“
„Ja.“ Maria nickte. „Ja … Aua!“
„Siehst du! Ich habe doch gesagt, du sollst dich nicht rühren.“ Nicholas schrie schon wieder.
Audrey kannte den Weg zum Wäldchen. Sie schaute stumm vor sich auf die Straße, während Bromwyn sich Sorgen um ihre Schwester machte. Sie fragte sich, wie tief die Grube wohl sein mochte und ob Maria sich verletzt hatte. ,Jedenfalls ist Nicholas bei ihr‘, tröstete sie sich. ,Er hat sie bestimmt nicht allein gelassen.‘
„Was willst du nun unternehmen, Audrey?“, sagte sie schließlich.
„Unternehmen? Was meinst du?“
„Ich meine die Übeltäter, die das ganze Unglück angerichtet haben. Sie müssen doch bestraft werden.“
„Aber wir haben keine Beweise.“
„Und die Radspuren und die Fahrradkette? Sind das keine Beweise?“
Audrey seufzte.
„Mein Vater ist vor vielen Jahren einmal mit irgendeiner Sache vor Gericht gegangen. Ich weiß schon gar nicht mehr, worum es eigentlich ging. Jedenfalls hat ihn der Prozess seine ganzen Ersparnisse gekostet, und er hat von dem Geld nie einen einzigen Cent zurückbekommen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass sich so etwas lohnt. Wir sollten besser abwarten. Wenn die Motorradfahrer wiederkommen, kann ich immer noch etwas unternehmen.“
„Ich fürchte nur, dass dann kein einziges gesundes Pony übrig ist.“
Audrey gab keine Antwort.
„Die meisten Sorgen mache ich mir um Maria“, meinte sie nach einer Weile. „Hoffentlich ist sie nicht verletzt. Ich würde mir schwere Vorwürfe machen.“
„Warum du? Schließlich hat ihr niemand gesagt, dass sie in die Grube klettern soll. Außerdem ist ihr nichts passiert. James hat doch mit ihr gesprochen.“ Bromwyn versuchte, sich selbst Mut zu machen.
Es war nicht schwer, die Grube zu finden. Der Traktor hatte seine Spuren hinterlassen, und Nicholas’ Stimme war durch das ganze Wäldchen zu hören.
„Hallo!“, rief Bromwyn. „Hier kommt das Rettungskommando. Wie sieht es aus?“
„Ich weiß es nicht.“ Nicholas begrüßte die beiden ein wenig verlegen. „Ich habe Hilfe geholt. Der Bauer hier will versuchen, Maria und das Pony aus der Grube zu holen. Wir sind gerade erst angekommen, aber ich glaube, deiner Schwester geht es nicht besonders gut.“
Während Audrey den Bauern begrüßte, beugte Bromwyn sich besorgt über den Rand der Grube.
„Sie sagt, sie hat sich das Genick gebrochen“, flüsterte Nicholas ihr zu.
„Wie geht es dir, Maria? Bist du verletzt?“
„Mir geht es gut. Danke.“
„Das ist alles, was sie sagt.“ Nicholas fuhr sich durchs Haar. „Wie soll man da wissen, wie es ihr wirklich geht?“
Die Kinder schauten sich ratlos an.
„Mal sehen, ob das Seil lang genug ist.“ Der Bauer hatte den letzten Knoten geknüpft und ließ das Seil nun in die Grube fallen. Es war viel zu kurz. „Das dachte ich mir.“ Er runzelte nachdenklich die Stirn.
„Aber ich kann ein Stück den Hang hochklettern“, bot Maria an. Ihre Stimme klang dünn.
„Das kommt gar nicht infrage, kleines Fräulein. Wenn du dir wirklich den Hals gebrochen hast, kannst du bestimmt nicht mehr klettern. Nein, ich fahre zurück zum Hof und hole eine Leiter.“
„Ich weiß gar nicht, was wir ohne Sie tun sollten.“ Audrey biss sich auf die Lippen.
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