Keine Frage des Geschmacks
auf Triestiner Art. Nein, das ist nichts zum Löffeln. Sie können es trinken.« Und wieder bestellte er, ohne zu fragen, gleich für sie mit. »Machen Sie einen Termin mit meiner Mitarbeiterin aus. Sie wird Ihnen die Ostafrika-Sektion gerne zeigen, ohne Einschränkungen. Auch wenn ich nicht da sein sollte.«
Das Sorbetto, das in einem Sektglas serviert wurde, rührte sie nicht an. Als sie das Lokal verließ, folgten ihr die Blicke der Gäste und Raffaele Raccaros.
Es herrschte wenig Verkehr, und ein Taxi war weit und breit nicht zu sehen. Zu Fuß ging sie durch die nächtliche Stadt zum Hotel zurück. Auf der Piazza Goldoni streifte sie beinahe ein weißer Motorroller, der ohne abzubremsen auf sie zuhielt. Nur mit einem beherzten Sprung auf den Gehweg konnte sie sich retten. Ein wüstes Lachen drang aus dem Sturzhelm. Sie schaute dem Fahrzeug nach, das ohne Licht über die rote Ampel der Kreuzung schoss und in der Galleria Sandrinelli, dem Tunnel unter dem Colle di San Giusto, verschwand. Als Miriam sich von dem Schreck erholt hatte, rief sie Candace in London an. Sie musste mit ihr über den eigenartigen Abend reden, den sie so schnell nicht vergessen würde. Der nächste Anruf galt Jeremy Jones, Jeanettes Anwalt, den sie zu Hause erreichte.
»Wenn du einen richtigen Scherbenhaufen hinterlassen willst, dann setz noch eine Klage gegen die AFI auf, die Firma von Raffaele Raccaro«, forderte sie aufgebracht. »Verlang ein Schmerzensgeld, das sich gewaschen hat. Es muss schrecklich viel sein. Und eine Anzeige mit Strafrechtsbestand, Erpressung, Bedrohung, Verleumdung, Stalking. Setz die britische Diplomatie darauf an. Verlang eine Haussuchung. Es heißt,dieser Aurelio sei ein illegitimer Sohn von Lele. Und beeile dich, bevor die selbst zuschlagen. Die glauben wirklich, die Welt gehöre ihnen. Und übrigens, ich werde beobachtet.«
»Wende dich sofort an die Polizei.«
»Und was erzähle ich denen? Dass ich die Vermutung habe, verfolgt zu werden, wo mich doch so gut wie niemand in der Stadt kennt? Die lachen mich doch nur aus. Aber du könntest vielleicht ein Kennzeichen für mich ausfindig machen.«
»Wir haben eine Partnerkanzlei in Triest«, sagte Jones nach kurzem Zögern. »Schwerpunkt Seerecht. Aber sie werden dir helfen.«
Als sie die Via Teatro Romano vor dem Polizeipräsidium überquerte, sah sie den weißen Motorroller. Diesmal parkte er am Straßenrand vor einem Hochhaus, dessen Fassade aus rostrotem Klinker bestand. Den Fahrer konnte sie nirgends ausmachen, doch das Kennzeichen war jenes, das sie sich am Tag zuvor vor dem Palazzo Vianello notiert hatte.
Zorn und Kaffee muss man heiß genießen
Auf den Treppen des Römischen Theaters gegenüber der Questura fand eine wilde Verfolgungsjagd statt, bei der zwei Gangster – dunkle Anzüge, schwarze Sonnenbrillen – mit ihren Spielzeugpistolen auf eine Kommissarin feuerten, die sich nur durch wildes Hakenschlagen und einen Sprung hinter die Ruinen retten konnte. Echte Beamte standen vor dem Polizeipräsidium auf der gegenüberliegenden Straßenseite und schauten dem Spektakel amüsiert zu.
Schon beim Einparken hatte Laurenti das Unheil auf sich zukommen sehen. Schwanzwedelnd zerrte der zottige schwarze Hund an der Leine, fast hätte er sein betagtes Herrchen zu Boden gerissen. Der alte Galvano glotzte einer hübschen Afrikanerin nach, die soeben ihre Aufenthaltsbewilligung an einem der Schalter der Ausländerbehörde im Entree des Polizeipräsidiums erhalten hatte und so beglückt darüber war, dass sie vor Freude auf der Straße tanzte. Der Hund japste aufgeregt und zog den pensionierten Gerichtsmediziner an der Leine zu Laurenti hinüber.
»Es heißt, Lele habe ein paar Problemchen.« Galvano riss den Köter an der Leine zurück, um nicht der Länge nach hinzufallen. »Der alte Gauner, vielleicht haben seine Spielchen bald ein Ende. Auch ohne dich, du fauler Hund, und deine naiven Kollegen, Commissario.«
»Wenn ein Tag mehrere Anfänge hat, geht er schief. Diesen Satz habe ich erst gestern Abend in einem Roman gelesen, Galvano, und heute bestätigt er sich bereits. Aber was ist los? Ein pensionierter Polizeihund und ein Pathologe im Ruhestand haben doch nicht etwa Heimweh nach der Zentrale? Oder hat man euch beide als Stuntmen für den Film da drüben gebucht?«
Er bückte sich zu dem schwarzen Gesellen hinab, den er vor Jahren aus Mitleid übernommen hatte, aber wegen des heftigen Protestes seiner Frau dem verwitweten alten Herrn überlassen
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