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Keine Frage des Geschmacks

Keine Frage des Geschmacks

Titel: Keine Frage des Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Autobahn der Küste entlang versprochen. Wer konnte ausschließen, dass er nicht einmal sein Exil dort verbringen wollte, wenn all die Gesetze zur Rettung seiner Person nicht mehr ausreichten?
    Und auch die Regierung Isayas Afewerki, eines der letzten kommunistischen Diktatoren in der Welt, der seine militärische Ausbildung in China erhalten hatte, wurde von Rom gestützt. In Eritrea hatte er die Pressefreiheit ausgehebelt, folterte und ermordete Regimekritiker. Nach UNO-Berichten übertraf seine Grausamkeit selbst die des nordkoreanischen Tyrannen. Doch die italienische Regierung schloss Handelsabkommen mit ihm ab und tätigte Investitionen, an denenauch Verwandte von Regierungsmitgliedern beteiligt waren. Von Menschenrechten zu sprechen war in Europa inzwischen Schnee von gestern. Und dieser Lele protzte mit Verdiensten seines Landes in der ersten Kolonie, die Italien ursprünglich mit dem Plazet der Engländer in Ostafrika eingerichtet hatte, um damit dem Expansionsdrang der Franzosen zuvorzukommen.
    »Ihr Regierungschef ist der letzte kommunistische Zar neben Kim Yong-il in Nordkorea, Generalissimus Than Shwe von Myanmar, dem Chinesen Hu Jintao, und wie in Moskau fällt keine Entscheidung ohne ihn.«
    »Nun ist aber Schluss! Erheben wir uns doch bitte nicht über andere. Ja?« Seine Stimme war schneidend geworden. Doch rasch fing er sich wieder und prostete ihr zu. »Worüber regen Sie sich auf, Miriam? Das Zwillingswesen der Macht ist die Korruption. Natürlich ist er größenwahnsinnig und selbst korrupt, es gibt ja auch niemanden, der ihn bremsen könnte. Die Linke ist ein altmodischer, zerstrittener Haufen, der am liebsten das Volk abschaffen würde, so sehr fürchtet sie sich vor ihm. Opposition kommt höchstens noch aus den eigenen Reihen und aus dem Vatikan. Das ist doch nicht normal.«
    Miriam kam aus dem Staunen nicht heraus. So also wurde Geschichte geschrieben.
    »Glauben Sie bitte nicht, dass wir Italiener das nicht selbst sehen. Wir sind nicht so hörig und dumm, wie wir häufig dargestellt werden. Wir verstehen es eben, Spielräume zu nutzen. Flexibilität. Und wir leben nun mal in einer voyeuristischen Gesellschaft, meine Liebe. Das ist technischer Fortschritt. Als die Bilderwelt noch aus Ölgemälden bestand, war das nicht möglich. Aber heute läuft da draußen niemand mehr rum ohne Mobiltelefon mit eingebauter Kamera.«
    »In der Tat, Dottore.« Er hatte das Stichwort ganz von allein gegeben. Miriam zog die Vergrößerungen von Jeanetteund ihrem Liebhaber aus der Handtasche und blätterte sie ganz gemächlich auf den Tisch. Eine nach der anderen. »Sie kennen diesen Mann. Wie heißt er, und wo finde ich ihn?«
    Leles Augen zogen sich zu engen Schlitzen zusammen, sein Grinsen machte aus seinem Gesicht eine diabolische Fratze. »Weshalb interessieren Sie sich ausgerechnet für den? Sie können doch problemlos flottere Gesellen an Land zu ziehen.«
    »Die Macht der Bilder, wie Sie so schön sagen. Er ist ein Erpresser, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Also, wo finde ich ihn?«
    »Ein Erpresser? Na, so ein gemeiner Kerl. Wen erpresst der denn? Und womit?«
    »Lesen Sie die Zeitung. Er hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht und wäre gut beraten, sich in Acht zu nehmen. Sein Opfer hat ein paar Leute beauftragt, ihm diese Mätzchen auszutreiben.« Sie legte den »Independent« neben das Foto.
    »Und Sie gehören zu diesen Leuten?«
    »Ich recherchiere nur. Jeanette McGyver fährt mächtigere Geschütze auf. Die mit den breiten Schultern kommen noch. Also, um wen handelt es sich?«
    »Ganz ruhig, meine Gute. So einfach, wie Sie glauben, ist das nicht.« Lele schob eine letzte Gabel Pasta in den Mund, wischte sich den Mund mit der Serviette ab und nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Weinglas. »Auf wen soll Ihr Killer denn schießen, wenn die Zielscheibe fehlt? Ich habe die echten Fotos gesehen. Es gibt sie noch. Ein harter Schlag für diese Frau, sollten sie zufällig den britischen Medien zugespielt werden.«
    »Haussuchungen sind kein Vergnügen, Dottore.« Sie steckte die Bilder ein.
    »Ihr Interesse für mein Fotoarchiv war also nur ein Vorwand«, stellte er süffisant fest und schätzte ihre Reaktion ab.
    »Ganz im Gegenteil. Ihre Ausführungen sind wirklich interessant. Eine ungewöhnliche Perspektive.«
    »Ich nehme diesen kleinen Disput nicht persönlich, Miriam. Das Archiv steht Ihnen nach wie vor offen.« Lele lächelte. Er winkte dem Kellner. »Ich empfehle Ihnen ein Zitronensorbet

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