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Keine Frage des Geschmacks

Keine Frage des Geschmacks

Titel: Keine Frage des Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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musste. Laura hatte sich weder einen Bastard noch einen ausrangierten Spürhund gewünscht.
    »Zufall, Laurenti! Soll ich etwa einen Umweg nehmen, nur um dir nicht zu begegnen?« Er schleckte an einem Kaffee-Eis, das über seine Finger troff. »Die Gelateria Ecke Via Malcanton ist ganz gut«, sagte er und wies mit dem Eis hinter sich, das prompt auf sein Jackett tropfte.
    »Was bedeutet eigentlich diese Lust auf Eis am frühen Morgen, Galvano? Du zeigst ja plötzlich menschliche Züge.« Laurenti hoffte, dass der Alte den Weg zu seinem Schreibtisch freiwillig räumte. Er hatte auf sein übliches Morgenbad in der Adria verzichtet, um bereits kurz vor sechs in der Via dell’Eremo vergeblich am Haus von Giulio Gazza zu klingeln. Doch kein Laut drang aus der Bude.
    »Mein Quacksalber hat mir verboten, mehr als einen Espresso am Tag zu trinken, von Eis hat er nichts gesagt«, knurrte Galvano und betrachtete hilflos seine verschmierten Finger. Noch nie war ihm eine solche Nachlässigkeit in Sachen Etikette unterlaufen. Auf der Straße zu essen, war dem Mann für gewöhnlich ein Greuel, mit zunehmendem Alter schoss er immer giftigere Hasstiraden ab gegen den rapiden Verfall der Sitten. Darunter fielen Damenhosen mit niedriger Taille, aus denen ein Tangastring herausschaute, sowie Männer mit dunklen Hosen, die helle Sportschuhe mit Klettverschlüssen trugen, heraushängende Hemden und Dreitagebärte, die seit sechsundneunzig Stunden überfällig waren. Als er noch im Dienst war, hatte der Alte niemals auf der Straße geraucht und seine Mentholzigaretten höchstens an den Tatorten herausgezogen – weniger, um sich wegen des oft grauenhaften Anblicks zu beruhigen, als vielmehr um gegen den Gestank des Todes anzuqualmen.
    »Und ich dachte, du wolltest mich besuchen.«
    »Nur weil du einmal im Jahr früher als sonst aufgestanden bist, musst du nicht glauben, ich sei wegen dir hierhergekommen«, raunzte Galvano, während Laurenti mit dem Taschentuch sorgsam die Eiscreme vom grauen Tuch tupfte, das Galvano auch im heißesten Sommer nicht ablegte. Kurze oder hochgekrempelte Hemdsärmel empfand der alte Herr ebenso als groben Stilbruch. Und der Zorn über das eigene Versehen stand deutlich in seinen Augen. Den Rest des Eises schlabberte das schwarze Tier aus seiner Hand, akkurate Fingerreinigung inbegriffen.
    »Die vollendete Freundlichkeit. Wie immer. Wie kommt es, dass deine Gespielin dich schon wieder alleine auf die Menschheit loslässt?«
    Die Scherze über das exzentrische Trio aus hochgewachsenem hageren Mann, kleiner, nicht mehr schlanken und pausenlos alles und jeden mit herbem Akzent kommentierender blonden Frau sowie dem schwarzen struppigen Hundebastard machten unter Galvanos alten Freunden immer häufiger die Runde.
    »Sie ist am Meer. Du weißt ja, dass ich keine Lust habe, mich zwischen das junge Gemüse zu drängeln.«
    »Besser so, die hübschen Mädchen würden dich zu sehr erregen.«
    »Du wirst auf mich neidisch sein, wenn du in mein Alter kommst, Laurenti. Du weißt ja gar nicht, was das für eine Erleichterung ist. Dich nimmt deine neue Flamme ja so sehr in Anspruch, dass du Job und Freundschaften vernachlässigst.«
    »Das sage ich schon die ganze Zeit.« Die Stimme, die er hinter sich hörte, ließ Laurenti zusammenzucken. Konnte man nicht einmal mehr in aller Ruhe morgens um acht ins Büro gehen? Marietta lächelte seit langem einmal wieder. Ein bitteres Lächeln.
    »Also, welche Probleme hat Lele deiner Meinung nach?« Laurenti ließ Galvano nicht aus den Augen.
    »Seine Partner werden ungeduldig. Die letzten Investitionen, vor allem in die beiden Einkaufszentren, sind ein Schlag ins Wasser. Das hätte ich ihm allerdings im voraus sagen können. Bis auf ein paar Köderangebote ist die Ware dort auch nicht billiger, dafür muss man an der Kasse Schlange stehen und diese lesbischen Songs von Michael Bublé ertragen. Dabei gibt es doch alles und viel mehr in den alteingesessenen Geschäften im Zentrum. Aber Lele arbeitet nun mal unablässig daran, die Stadt baldmöglichst dichtzumachen und dann für wenig Geld aufzukaufen. Zusammen mit irgendwelchen netten Herren von außerhalb, deren Waschmaschine zu Hause zu klein geworden ist. Und es würde mich nicht im geringsten wundern, wenn er seinen Sohn nicht schon zum Bürgermeisterkandidaten auserkoren hätte. Der Niedergang ist kühl programmiert.«
    Der schwarze Geselle hob sein Bein und benetzte die Felge von Laurentis Dienstwagen.
    »Hier, Galvano, das

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