Keine Gnade

führte. »Noch nicht allzu viel. Aber ich hoffe, dass Sie und Ihre Frau uns mit Informationen dabei helfen können, die Ermittlungen auf den richtigen Weg zu bringen.«
    Â»Was können wir tun, um Ihnen zu helfen?«, wollte Katherine wissen.
    Â»Wann haben Sie Ihre Tochter zum letzten Mal gesehen?«
    Â»Sie ist erst vor kurzem in ihre eigene Wohnung mitten in San Diego gezogen und hat angedeutet, dass sie sich ein wenig einsam fühlte«, sagte Richter Foster. »Sie war dreiundzwanzig Jahre alt und hat noch nie allein gelebt – nicht einmal als sie im College war. Wir hatten sie an dem Samstag, an dem sie verschwunden ist, zum Abendessen einge­laden. Meine Tochter ist … ich meine, war  … nicht der häusliche Typ. Trotz aller Bemühungen meiner Frau hatte Genevieve nicht viel fürs Kochen übrig. Wir hatten das Gefühl, dass sie sich über ein Essen bei uns zu Hause freuen würde.«
    Â»Sie hatte nicht zufällig ein teures Cocktailkleid an, oder?«
    Â»Ich kann mich nicht erinnern, wann ich sie das letzte Mal in einem Kleid gesehen habe«, entgegnete Katherine. »Wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, hatte sie ihre Lieblingsjeans und einen grünen Pulli an.«
    Â»Wann hat sie Ihr Haus verlassen?«
    Â»Ihre beste Freundin Katie hat sie so um neun Uhr ab­geholt«, sagte Richter Foster.
    Â»Wissen Sie, wie Katie mit Nachnamen heißt?«
    Â»Mitchell. Katie Mitchell.«
    Al notierte sich den Namen auf seinem gelben Block. »Haben sie gesagt, wo sie hingehen wollten?«
    Der Richter blickte seine Frau fragend an.
    Â»Detective«, sagte Katherine, »Genevieve war eine wunderbare Tochter.« Sie hielt für einen Augenblick inne und fuhr sich mit ihren Fingern durchs Haar. »Aber egal, wie sehr wir es auch versucht haben, weder mein Mann noch ich konnten Einfluss auf ihren Lebensstil nehmen. Sie liebte Bars, das Nachtleben, das viele Trinken und …« Sie fing an zu weinen. Der Richter legte ihr seinen Arm um die Schultern und zog sie zu sich heran.
    Al saß still da und wartete, bis sie sich wieder gefangen hatte.
    Â»Meine Tochter war nicht sehr diskret«, gestand der Rich­ter ein. »Man konnte von einer Woche zur nächsten nicht sagen, mit welcher fragwürdigen Person sie zusammen sein würde. Einige der Männer, mit denen sie ausging, waren – lassen Sie es mich mal so ausdrücken – von der falschen Seite der Stadt. Aber was kann man schon erwarten, wenn jemand in eine Bar geht, um Kontakte zu knüpfen?«
    Â»Wo ist sie denn gern hingegangen?«
    Â»Meistens ins Gaslamp Quarter«, sagte der Richter. »Sie versuchte uns davon zu überzeugen, dass die Besucher dort gehobener seien, dass sich dort die Leute trafen, die ›in‹ ­waren. Was immer das auch heißen mag.«
    Â»Haben Sie jemals einen ihrer Freunde getroffen?«, fragte Al.
    Â»Diejenigen, die zwei zusammenhängende Sätze von sich geben konnten, ohne zu stottern. Aus offensichtlichen Grün­den hat sie genau ausgewählt, wen wir zu sehen bekamen.«
    Â»Hatte sie in letzter Zeit einen Freund oder eine feste Beziehung?«
    Â»In den letzten Monaten hatte sie keinen Mann mit nach Hause gebracht.«
    Al machte sich wieder Notizen. »Haben Sie ein neueres Foto von ihr?«
    Katherine suchte durch ihre Handtasche, öffnete ihre Brieftasche und gab Al ein Foto. »Dies … ist ihr … Abschlussfoto.« Und wieder begannen die Tränen zu fließen.
    Â»Diese Ermittlung hat oberste Priorität, und ich verspreche Ihnen, wir werden mit allen zur Verfügung stehenden Beamten auf die Straße gehen und jede Bar und jede Kneipe im Gaslamp Quarter im Umkreis von zehn Blöcken filzen. Und ich werde persönlich mit Genevieves Freundin Katie sprechen. Ich würde mit Ihrer Erlaubnis auch gern Genevieves Wohnung durchsuchen.« Er hielt einen Augenblick inne, spürte, dass jetzt der perfekte Zeitpunkt gekommen war, um zum entscheidenden Schlag auszuholen. »Aber ich muss ehrlich zu Ihnen sein. Wenn wir nicht auf außer­gewöhnliche Beweise stoßen oder nicht jemand mit einer entscheidenden Information zu uns kommt, haben wir recht wenig in der Hand.«
    Al wusste natürlich, dass er den Wert von Beweisen herunterspielte. Aber wie sollte er den Richter sonst davon über­zeugen, einer vollständigen Autopsie zuzustimmen?
    Der