Keine Gnade
auf.«
»Wenn du über geschlechtsspezifische Rollenverteilung in dieser Beziehung streiten und über finanzielle Zuständigkeiten diskutieren willst, dann ist das jetzt weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort.« Unter diesen Umständen wollte sie eigentlich nicht so mit ihm sprechen, aber manchmal traf er bei ihr auf einen empfindlichen Nerv. »Lass den Machoscheià sein, Al, und schieb deinen Hintern sofort wieder an den verdammten Computer, solange es da noch ein Ticket zu kaufen gibt.«
Sein ernstes Gesicht entspannte sich, und seine Mundwinkel hoben sich ein wenig. Er ging zu Sami und drückte sie ganz fest. »Es tut mir leid, Sami, aber ich bin ein bisschen von der Rolle.«
»Du hast allen Grund dazu. Nun buch den verdammten Flug und packe deine Sachen.«
Julian stieg aus seinem Mietwagen und gab dem Bediensteten vom Parkplatzservice einen Zehn-Dollar-Schein. Ein groÃer bulliger Mann mit Glatze saà am Eingang und überprüfte die Ausweise. Julian versuchte, an ihm vorbeizuÂkommen, doch er drückte seine riesige Hand gegen Julians Oberkörper und hielt ihn auf.
»Ausweis bitte«, sagte der Mann mit tiefer kehliger Stimme.
»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«
»Ich mache keine SpäÃe, Bruder. Für Humor habe ich nichts übrig.«
»Ich bin zweiundvierzig.«
»Okay, für dein Alter siehst du ziemlich gut aus. Wo ist dein Ausweis?«
Julian öffnete seine Brieftasche und gab dem Mann einen gefälschten Führerschein, den er sich in Tijuana gekauft hatte.
Der Mann überprüfte den Führerschein, schaute Julian an und überprüfte den Führerschein noch einmal.
»Hast du heute einen Bad-Hair-Day, Bruder?«
»Versuche nur, zeitgemäà auszusehen.«
»Ich glaube nicht, dass das funktioniert, Bruder.«
»Ich dachte, du hättest keinen Sinn für Humor?«
»Habe ich auch nicht.«
Endlich lieà der Mann Julian durch die Tür ins Henryâs Hideaway. Julian war seit Jahren nicht überprüft worden und fühlte sich durch die Frage des Türstehers eher geschmeichelt als beleidigt. Was er nicht mochte, war die KlugscheiÃerart des Typen. Er hatte sich in letzter Zeit ÂSorgen über seine Erscheinung gemacht, hatte KrähenfüÃe entdeckt und Schwellungen unter seinen Augen. Ganz abgesehen von seinem einstigen Sixpack, das jetzt eher einem Muffin glich. Er hasste es, alt zu werden, und wünschte sich, für immer jung zu bleiben.
Julian bahnte sich seinen Weg durch die vielen Menschen, die meisten waren Männer, zur Bar. Musik grölte im Hintergrund, und auf die winzige Tanzfläche passte niemand mehr. Er blickte die lange Bar hinunter und sah keinen freien Platz mehr, wo er sitzen oder einen Drink bestellen konnte. Er quetschte sich zwischen zwei Männer, die auf Barhockern saÃen, und versuchte, den Bartender heranÂzuwinken. Die Bar brummte vor Energie. Die wummernde Techno-Musik mit ihrem irritierenden monotonen Beat wurde von einer Ballade abgelöst, und die Tanzenden verlieÃen so fluchtartig die Tanzfläche, als ob man eine Granate zwischen sie geworfen hätte. Auf sie folgte eine viel ruhigere Gruppe. Neugierig und fasziniert zugleich beobachtete Julian, wie Männer mit Männern tanzten und Frauen mit Frauen.
Nach einigen vergeblichen Versuchen hatte Julian endlich den Bartender auf sich aufmerksam gemacht.
»Es tut mir leid, dass Sie warten mussten, Sir. Hier ist heute die Hölle los. Was darf es sein?«
»Ich hätte gern einen Belvedere Martini extra dry â mit zwei Oliven.«
»Klar, Sir. Kommt sofort.«
Zwischen zwei jungen Männern eingeklemmt, konnte Julian kaum von seinem Drink trinken. Er schob sich durch die Menge zur Tanzfläche hin. Nun konnte er von nahem beobachten, wie die Tänzer miteinander umgingen, die engen Umarmungen, Hände, die intime Stellen erkundeten, Küsse, die eher nicht in die Ãffentlichkeit gehörten.
Bei diesen Gästen gab es keine Spur von Gehemmtheit.
Julian spürte, wie jemand seine Schulter drückte. Er drehte sich um und erblickte einen jungen gebräunten Mann mit sonnengebleichtem Haar. Er hätte für ein Surfer-Magazin posieren können und war sicher nicht älter als fünfundzwanzig.
»Würden Sie gern tanzen?«, fragte der Blonde höflich und mit sanfter Stimme.
»Die Tanzfläche ist mir ein bisschen zu
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