Keine Gnade
voll.«
»Hier ist immer ziemlich viel los â besonders an WochenÂenden.« Der Blonde deutete auf Julians Shirt. »Das rosa Polo sieht gut aus.«
»Eigentlich ist es schon ziemlich verblasst«, sagte Julian. »Als ich es gekauft habe, war es knallpink. Vertraue nie der Waschmittelwerbung.«
»Du bist gut drauf«, meinte der Blonde.
Er streckte seine Hand aus. »Ich bin Julian.«
»Connor Stevens.« Der junge Mann hatte einen festen Händedruck, aber seine Hände waren weich wie Lammfell.
»Kommst du regelmäÃig her?«, fragte Connor.
»Zum ersten Mal.«
»Und wie gefällt es dir?«
»Ziemlich viel los hier, aber nicht mein Fall.«
»Und was ist dein Fall?«
»Ich bevorzuge es ein wenig leiser und ein wenig intimer. Habe das Gefühl, dass ich auf meine alten Tage sonderbar werde.«
Connor lachte. »Ja, richtig. Alte Tage. Wie alt bist du denn, zweiunddreiÃig, vielleicht dreiunddreiÃig?«
»Da träumst du von.«
»Okay, was immer du auch tust, um so jung auszusehen, hör nicht auf damit, denn es funktioniert.« Verlegenes Schweigen breitete sich aus. »Hast du Lust auf einen Drink irgendwo hinzugehen, wo es leiser ist?«
Julian blickte tief in Connors himmelblaue Augen und lächelte. »Versuchst du, mich abzuschleppen?«
»Eigentlich hoffte ich, meine Slipper in deiner Hütte abstellen zu können.«
»Also meinst du, ich bin leicht zu haben?«
»Ich habe so das Gefühl«, erwiderte Connor.
»Glaubst du mir, wenn ich dir sage, dass ich noch nie mit einem Mann zusammen gewesen bin?«
»Glaubst du mir, wenn ich dir sage, dass ich der Weihnachtsmann bin?«
»Schau, Connor, du bist ein sehr gutaussehender junger Mann, und ich müsste lügen, wenn ich nicht sagen würde, dass ich mich zu dir hingezogen fühle. Aber ich bin hier, weil ich neugierig bin. Mehr nicht. Ich war verheiratet und habe zwei Scheidungen hinter mir, und jahrelang habe ich die Wahrheit nicht erkennen wollen. Für mich ist das alles neu, und ich bin ein wenig eingeschüchtert von dem ganzen Spiel. Ich brauche jemanden, der geduldig ist und verständnisvoll und mir mein eigenes Tempo lässt. Ich mache gerade eine wirklich verwirrende sexuelle Krise durch. Wenn du also heute Nacht jemanden ins Bett kriegen willst, dann verschwendest du meine und deine Zeit.«
Julian war fasziniert davon, wie er lügen konnte, ohne mit der Wimper zu zucken, und dabei ohne zu zögern auch noch eine glaubhafte Geschichte von sich geben konnte.
»Wow, Julian. Ich kann dir gar nicht sagen, wie erfrischend es ist, mal jemanden zu hören, der sein Innerstes bloÃlegt. Um ehrlich zu sein, jeder hier in diesem Laden labert nur ScheiÃe. Es gibt keine Aufrichtigkeit. Diese ganze Schwulenszene ist ein einziger Witz. Seit langem habe ich mich nach jemandem umgeschaut, dem ich vertrauen kann. Nach jemandem, der sich nicht zu schade ist, auch verletzlich zu wirken. Du hast mich wirklich umgehauen, und es tut mir unheimlich leid, wenn ich dir irgendwie zu nahe getreten sein sollte.«
»WeiÃt du was«, meinte Julian. »Nachdem wir uns nun alles eingestanden haben, warum gehen wir nicht zu mir, trinken etwas und lernen uns besser kennen â ausschlieÃlich als Freunde. Mein Loft ist etwa zehn Minuten von hier.«
»Das würde ich gern machen, Julian.«
Als die zwei Männer sich auf den Ausgang zu bewegten, wurde Julian klar, dass er von der ganzen Anmache überhaupt keine Ahnung mehr hatte. Er konnte nicht glauben, wie einfach es war, jemanden zu treffen, der mit einem völlig Fremden mitging. So war also das Leben als Single heute? Gab es keine Besonnenheit oder guten Menschenverstand? Wie konnte Connor sich sicher sein, dass Julian kein Axtmörder war? War dem jungen Mann nicht an seinem eigenen Wohl gelegen? Nur weil Julian eine haarsträubende Geschichte über seine sexuelle Krise erfunden hatte, schien der junge Mann bereit, in sein Bett zu springen.
Als sie auf den Mietwagen zugingen, griff Connor nach Julians Hand und hielt sie, als ob sie ein Liebespaar beim Strandspaziergang wären.
Was wird nur aus dieser Welt?
9   »Hab einen guten Flug«, sagte Sami und half Al beim Ausladen seines Gepäcks aus dem Truck.
»Dank dir fürs Herbringen«, sagte Al.
»Ruf mich an, sobald du angekommen bist, okay?«
»Werde ich
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