Keine Gnade
allergisch.«
»Eine letzte Frage, Richter, hatte Ihre Tochter irgendwelche Beschwerden, um die sich ein Doktor kümmern musste?«
»Sie war gesund vom Tag ihrer Geburt an.«
»Ich danke Ihnen sehr, Richter. Das wäre es für den Augenblick. Ich werde sicherstellen, dass Sie eine Kopie des vollständigen Autopsieberichts bekommen.«
»Jetzt habe ich noch eine Frage, Detective Diaz. Leider weià ich ja, was bei diesen grässlichen Autopsien vorgeht. Deshalb bin ich so entschieden dagegen. Aber ich muss wissen, ob wir sie im offenen Sarg aufbahren können oder ob wir ihr wunderschönes Gesicht nie wiedersehen werden?«
Al wusste genau, was er eigentlich fragte: Hat die Rechtsmedizinerin meine Tochter wie einen Fisch filetiert und ihren Schädel wie eine Kokosnuss aufgebrochen? Wird sie würdevoll in diesem Sarg liegen oder wie eine Ansammlung von Körperteilen?
»Wenn Sie sie sehen werden, Richter, dann wird es keinen Hinweis darauf geben, dass sie jemals auch nur von einer Mücke gestochen worden ist.«
»Das wollte ich wissen.« Und es war wieder still am anderen Ende. »Sie haben jeden Tag mit solchen Dingen zu tun. Und als Richter habe ich auch meinen Teil an gewaltÂtätigen Kriminellen und brutalen Verbrechen gesehen, die mich an der Zivilisiertheit der Menschheit zweifeln lassen. Aber egal, womit Sie jeden einzelnen Tag zu tun haben, nichts, aber auch gar nichts, kann Sie auf so einen Verlust vorbereiten.« Die Stimme des Richters zitterte ein wenig. »Aber wie kann man damit umgehen, wenn man überhaupt nichts weiÃ? Wie kann man nachts schlafen, wenn man sich fragt, was dieses Monster unserer Tochter angetan hat? Was sie in den letzten Minuten ihres Lebens fühlte? Wie soll man weitermachen, wenn man sich versucht vorzustellen, wie sehr sie leiden musste?«
Al dachte nach, doch ihm fiel kein tröstendes Wort ein. Er konnte ihm nur versichern: »Es tut mir wirklich sehr leid, Richter Foster. Ich verspreche Ihnen, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um Genevieves Mörder zu finden.«
Sami lag auf der Seite und sah Al an. Es war einer dieser Augenblicke, den sie so liebte, weil ihre Augen und ihre Körper schon alles Wesentliche ausdrückten. Er schien heute Nacht ein wenig unruhig und abwesend, doch sie hoffte, ihn aufheitern zu können. »Dies könnte heute das letzte Mal sein, dass wir durch die Betten springen, ohne auf andere Rücksicht nehmen zu müssen, Cowboy. Hast du Lust?«
»Hört sich verlockend an, aber ich bin völlig fertig.«
»Mmh, aber vielleicht kann ich ja ein paar frische Energien in dir wecken«, meinte Sami scherzhaft und küsste ihn sanft auf die Lippen. »Wann hast du jemals eine Rolle in den Federn abgeschlagen?«
»Können wir das verschieben?«
Irgendetwas war nicht in Ordnung. Er hatte noch nie keine Lust auf Sex gehabt. Okay, sie hatten ihr Sexleben aber auch vernachlässigt. Mit seinem Terminplan und ihrem hektischen Leben war es nahezu unmöglich, Zeit für sie selbst herauszuschlagen. Aber machte das ihre Einladung nicht umso verlockender?
Al küsste Sami auf die Wange. »Es tut mir leid, Sami. Es war nur einer von diesen Tagen.«
Sie hatte einen Kloà im Hals. »Ist alles in Ordnung mit uns?«
Er nickte. »Natürlich.«
Sie war nicht überzeugt. Samis Romanze mit Al hatte einen Weg genommen, den sie niemals erwartet hatte. Schon früh in ihrer Beziehung war die Leidenschaft zwischen ihnen so intensiv gewesen, dass sie davon überzeugt gewesen war, dass sie schnell nachlassen würde. Ja, sie schliefen nicht mehr so häufig miteinander, ihr hektisches Leben lenkte sie ab. Aber sie ging davon aus, dass das Feuer immer noch hell brannte. Oder lag sie falsch? Hatte er Sex eben wirklich abgelehnt? Sie hatte nie damit gerechnet, dass sie sich in ihn verlieben würde, da er ihr wie ein Schlawiner und Herzensbrecher vorgekommen war. Aber mit Beginn ihrer Liebesaffäre war Als schützende Rüstung verschwunden und ein liebenswerter und sensibler Mann darunter zum Vorschein gekommen. Ein Mann, der es verdiente, geliebt zu werden. Doch vielleicht waren sie an einer Kreuzung angekommen, von der Al und sie in verschiedene Richtungen aufbrechen würden.
Das Telefon klingelte und unterbrach Samis Ãberlegungen.
»Lass den Anrufbeantworter angehen«, sagte Al.
Sie griff noch vor dem zweiten
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