Keine Gnade
Stück Papier aus. »Auf dem Zettel stehen die Telefonnummer und genaue Instruktionen. Bitte rufen Sie genau um neunzehn Uhr an.«
Der Mann zeigte auf die Notiz. »Und alles, was ich machen muss, ist anrufen und sagen, dass ich Doktor Hastings bin, und dann befolge ich diese Anweisungen?«
Julian nickte. »Das ist alles.« Er lehnte sich nach vorn. »Noch irgendwelche Fragen?«
Der Mann dachte kurz nach. »Keine.«
Gerade als Julian sich umdrehte und gehen wollte, griff der Mann nach seinem Arm. »Wenn Sie mich jemals wieder brauchen, Kumpel, für einen schnellen Dollar stehe ich immer zur Verfügung.«
Der Gerichtshof von Kalifornien hatte Simon Kwosokowski im Pelican-Bay-State-Gefängnis untergebracht, einer Supermax-Haftanstalt auf einem Gelände von gut einem Quadratkilometer in Crescent City, etwa zweihundertdreiÃig Kilometer nördlich von San Francisco. Hier saÃen einige der gefährlichsten Verbrecher Kaliforniens ein. In der einen Hälfte des Gefängnisses, das 1989 eröffnet wurde und aus einem x-förmigen Gebäudekomplex mit Elektrozaun bestand, befand sich der Hochsicherheitstrakt, einer der ersten dieser Art im Land. In diesem Bereich verbrachten Insassen dreiundzwanzig Stunden am Tag in Isolationshaft und die restliche Stunde zur Bewegung in einem schwer bewachten Innenhof. Im Pelican-Bay-State-Gefängnis saÃen die schlimmsÂten Verbrecher ein: Bandenmitglieder, Vergewaltiger und Massenmörder.
Glücklicherweise hatte Sami bei ihren Buchungen einen Direktflug von San Francisco nach Crescent City ergattern können. Als sie auf dem Jack McNamara Field ankam, einem unvorstellbar winzigen Flugplatz, roch sie das Meer. Die Salzluft schien das einzig Charakteristische dieser Gegend zu sein, das sie mit San Diego gemein hatte. Sie entdeckte zwei kleine Gebäude, die offenbar der ganze Flugplatz zu sein schienen.
Ein tief gebräunter junger Mann, der einen starken Akzent hatte, fuhr sie und drei weitere Passagiere in einem Golfcart zum Hauptgebäude, das kaum gröÃer war als eine Doppelgarage. Der Himmel wirkte bedrohlich, so als könnten sich die Wolken jeden Augenblick öffnen und einen SturzÂregen loslassen. Vor dem Gebäude stand ein heruntergekommenes Taxi, in dem der Fahrer hinter dem Steuer fest schlief.
Da sie nicht über Nacht bleiben wollte â sie hatte für denselben Tag den Rückflug gebucht â, hatte sie auÃer einer groÃen Handtasche kein Gepäck dabei. Sie war unsicher, ob sie dem jungen Mann ein Trinkgeld geben sollte, doch als sie sah, dass einer der Passagiere ihm etwas Geld gab, suchte sie in ihrer Handtasche nach ihrem Portemonnaie und gab dem Typen fünf Dollar.
Sie klopfte vorsichtig an das Fenster des Taxis und weckte den Fahrer. Nach einer kurzen Diskussion erklärte er sich einverstanden, sie zum Gefängnis zu bringen.
Mit ihrem Ausweis, einer längeren Erklärung, den vom Notar autorisierten Dokumenten des Lt. Governor und nach einer nicht enden wollenden Reihe von Telefonaten des Strafvollzugsbeamten am Haupteingang kam Sami endlich durch den Sicherheitsbereich. In diese gigantische Festung hineinzukommen schien viel einfacher als herausÂzukommen, dachte sie. Der Strafvollzugsbeamte brachte sie in ihrer zweiten Golfcartfahrt des Tages zum Büro des Gefängnisleiters. Sie fuhren an zahlreichen Gebäuden vorbei, die alle mit einem Elektrozaun gesichert waren. Das Gelände wirkte völlig verlassen, als ob der Beamte und sie die einzigen Lebewesen in dem Komplex wären. Sie wusste allerdings, dass sich hinter diesen Betonmauern eine vollkommen andere Welt befand.
Als sie gerade dachte, die Fahrt würde kein Ende nehmen, entdeckte sie ein Gebäude, das völlig anders aussah, und nahm an, dass dort unter anderem das Büro des Gefängnisleiters wäre.
Der Strafvollzugsbeamte hatte kaum ein Wort mit Sami gewechselt, und das Schweigen hielt an, als sie ins Gebäude gingen und den Aufzug betraten. Sie liefen bis zum Ende eines Flurs, wo der Beamte sachte an die dicke Stahltür klopfte und auf Einlass wartete. Als sie im Büro waren, zog sich der Beamte schnell zurück und lieà sie an der Tür stehen.
Der untersetzte, kahlköpfige Gefängnisleiter erhob sich, ging auf Sami zu und streckte ihr die Hand entgegen. »Sebastian Marshall.« Er schüttelte energisch ihre Hand. »Sie sind also die berühmte Sami
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