Keine große Affäre
Gesamtschule. Sie erinnerte sich daran, daß er ihr am Morgen von einem
Kricketmatch gegen die örtliche Privatschule erzählt hatte.
»Habt ihr gewonnen?« fragte sie und
drehte sich auf die Seite. Sie sah, daß er an die Decke blickte und über das
ganze Gesicht grinste. Er liebte Kricket. Es selbst zu spielen war am besten,
aber zuzusehen, wie die Kinder gewannen, war auch sehr schön.
»Haben sie vernichtend geschlagen!«
sagte er. »Hatten am Schluß noch vier Schlagmänner übrig.« Er sah sie an und
strahlte.
Sie lächelte ihn an. Sie kannte die
Regeln kaum, aber sie spürte, daß es ein schöner Sieg gewesen sein mußte.
»Und ihre Eltern zahlen auch noch
dreitausend Pfund pro Trimester für das Privileg...«, fügte Neil mit noch
größerer Befriedigung hinzu. Er war ein guter Lehrer, sehr engagiert, und die
sozialen Unterschiede, die durch Privatschulen noch gefördert wurden,
schmerzten ihn. Er wollte, daß die Kinder, die er unterrichtete, es zu etwas
brachten, und wenn sie über die Jungs von Privatschulen triumphierten,
bereitete ihm das zusätzliches Vergnügen.
»Das ist das Tolle am Sport«, belehrte
er Lia wie so oft. »Es ist egal, wer du bist, oder wo du herkommst...«
Lia nickte. Ihr war Sport völlig egal,
aber sie dachte darüber nach, was für ein guter Vater er sein würde. Sie
erinnerte sich daran, wie sie ihn am Tag, nachdem sie sich kennengelernt
hatten, beim Fußballspiel mit den Dorfkindern beobachtet hatte. Sie hatte auf
der Veranda des Strandcafés gesessen, eiskaltes Bier getrunken und sich
schummrig gefühlt. Sie hatte sich gefragt, wie er nach ihrer gemeinsamen Nacht
noch die Energie aufbringen konnte, sich so sorglos und enthusiastisch wie ein
Kind in das Fußballmatch zu stürzen. Sie bemerkte, daß er den Ball so zupaßte,
daß jedes Kind, egal wie klein es war, gleich oft zum Zug kam. Das gelang ihm,
ohne die Jungs gönnerhaft zu behandeln, ohne daß ihnen überhaupt bewußt war,
daß er das Spiel kontrollierte. Sie sah zu, wie hypnotisiert durch die
unbefangenen, harmonischen Bewegungen seines Körpers, während er barfuß im Sand
umherlief und den besten Spieler des Dorfes angriff, weil er endgültig nicht
mehr widerstehen konnte, selbst aufs Tor zu schießen. Der Ball segelte zwischen
den beiden Sonnenschirmen durch, die als Torpfosten dienten, und Neil sprang
hoch, boxte triumphierend in die Luft und blickte dann halb verlegen mit seinem
gewinnenden, selbstironischen Lächeln zu Lia herüber. Und als er den Strand
hinauf auf sie zukam und sich mit den Handflächen den Sand von den Knien
wischte, erlebte sie einen dieser entscheidenden Momente im Leben: Plötzlich
wußte sie mit einer Art vorbestimmter Sicherheit, daß sie von ihm Kinder haben
wollte. Dieser eigenartige Gedanke hatte ihr fast Angst eingejagt, weil sie
sich zuvor noch nie irgendeines Mutterinstinkts bewußt gewesen war. Aber als er
den Kopf unter den gelben Schweppes-Sonnenschirm gesteckt hatte, um sie zu
küssen, dachte sie, oh ja, damit könnte ich klarkommen.
Lia verlagerte sich auf die Seite und
kuschelte ihren Kopf neben seinen. Er wandte ihr das Gesicht zu und küßte sie
langsam. Ihr Mund und dann ihr ganzer Körper öffneten sich seiner Berührung,
und sie fühlte die vertraute Welle der Erregung, wie warmer Sirup, der jede
Zelle ihres Körpers durchflutete. Sie hatten ihr Liebesleben nicht eingeschränkt,
bis der Arzt ihnen vor kurzem von Sex abgeraten hatte. Aber sie hatten fast
ebenso tiefe Befriedigung in der köstlichen Zärtlichkeit der Enthaltsamkeit
gefunden. Sie hielt sein Gesicht in den Händen und sah ihm in die Augen —
Augen, die so helltürkis waren, daß es ihr manchmal vorkam, als könne sie durch
sie hindurch sehen, direkt in seine Seele. Dann brachte ein flüchtiger Gedanke
sie auf den Boden der Tatsachen zurück, als sie sich daran erinnerte, warum sie
Neil gebeten hatte, früh nach Hause zu kommen.
»Der Schwangerschaftskurs... Wir
werden zu spät kommen«, sagte sie.
»Och, müssen wir dahingehen?« seufzte
Neil und zog sie näher zu sich. »Es ist wirklich heiß draußen.«
»Los, unter die Dusche«, schimpfte Lia
lachend und versuchte ihn vom Bett zu schubsen.
»Du zuerst«, jammerte er.
»Ich hab’s schon hinter mir. Ich habe
nur hier gelegen und überlegt, was ich anziehen soll, und dann bin ich
eingenickt.«
»Zieh das Kleid an«, sagte er und
stand schließlich mühsam auf, als er Lias Entschlossenheit bemerkte. »Das grüne
Kleid. Darin siehst du wirklich
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