Keine halben Küsse mehr!: Roman (German Edition)
eine abgewetzte braune Lederjacke.
»Oh... ja, sicher.« Amelie fing an, in ihrer Handtasche herumzuwühlen. Verflixt, sie hatte das Feuerzeug doch gerade noch in der Hand gehabt! Aber es schien unter dem Wust von angeschnäuzten Papiertaschentüchern, Schminkutensilien, Stiften und Haftzetteln verschwunden zu sein. Sie hoffte inständig, Orlando mit ihrer offensichtlichen Schlampigkeit nicht zu sehr abzuschrecken. Da fiel ihr wieder ein, dass der Typ ja ganz offenbar untergeschoben worden war, und sie entspannte sich wieder und suchte in aller Ruhe nach dem Feuerzeug. Als sie es gefunden hatte, reichte sie es ihm mit einem Lächeln.
»Danke. Ich bin übrigens Charlie.« Da fiel sein Blick auf sein Namensschildchen, und er lachte verlegen. »Aber das hast du ja wahrscheinlich bereits gesehen.«
Amelie lachte ebenfalls und sagte spöttisch: »Ja. Hallo, Charlie .«
Charlie zog an seiner Zigarette und lehnte sich lässig an die Ziegelwand. »Geht’s dir auch, als wärst du wieder in der Schule? Sich auf eine rasche Zigarette hinter die Fahrradständer verdrücken, bevor die kleine Pause zu Ende ist?«
»Ich weiß. Irgendwie spannend, oder? Sogar unartig.« Amelie fuhr sich mit der Hand durch die Lockenmähne, um sich zu vergewissern, dass sie ihr nicht länger feucht am Kopf klebte.
»Du hast mir deinen Namen noch nicht verraten«, sagte Charlie. »Die schöne Nachzüglerin, das unartige Kind, das sein Namensschildchen nicht anstecken will...« Er ließ den Satz verklingen. Dann blitzte es schelmisch in seinen braunen Augen auf. »Ach, Moment mal, jetzt fällt’s mir wieder ein, du musstest deinen Namen ja vor dem ganzen Saal nennen, genau! Amy, oder?«
»Amelie.«
»Ich weiß, war bloß ein Witz. Ich wusste, dass es Amelie ist, weil mir sofort einfiel – du entschuldigst, dass ich kitschig werde -, wie sehr ich den Namen mag. Hast du den Film gesehen?«
»Ja, ich fand ihn toll. Auch die Musik – toller Soundtrack.« Amelie lehnte sich an die Wand, und Charlie drehte sich zur Seite, um sie besser sehen zu können.
»Ja, finde ich auch! Jean-Pierre Jeunet ist einer meiner Lieblingsregisseure. So wunderbar schrullig, so fantasievoll. Hast du seine anderen Filme gesehen – Stadt der verlorenen Kinder oder Delicatessen ?«
»Äh, nein, noch nicht«, gestand Amelie. »Aber Delicatessen wollte ich mir schon ewig anschauen. Du kennst dich wohl gut aus mit Filmen, oder?«
»Ja, ich bin eine Art Filmfreak, aber das muss ich...« Charlie senkte scheu den Blick und sagte dann, als müsse er dies beichten: »Ich bin Schauspieler.«
»Ach was! Dafür brauchst du dich nicht entschuldigen. Ich selbst arbeite in der Werbebranche. Ich schätze also, wir besitzen beide so unsere kleinen Eitelkeiten«, sagte Amelie und dachte bei sich, dass dieser nette, umwerfend gut aussehende Mann vielleicht doch echt und nicht untergeschoben war, um die Qualität des Männerangebots zu heben.
Charlie warf ihr einen bewundernden Blick zu und zog an seiner Zigarette. »Nimm’s mir nicht übel, aber ich muss dich das fragen: Was führt dich hierher? Was hat ein so umwerfendes Mädchen wie du bei einer solchen Veranstaltung zu suchen?«
Amelie drückte lachend ihre Zigarette mit der Schuhspitze aus. »Nun, ich könnte dich dasselbe fragen... aber ich verzichte darauf. Nein, im Ernst, ich wollte gar nicht. Bin von einer Freundin hergeschleppt worden – zur moralischen Unterstützung.«
»Deshalb warst du also so erfreut, als du erfuhrst, dass du die erste Runde aussetzen musst«, sagte Charlie grinsend. Dann drückte er seine Zigarette aus und meinte: »Weil du nicht gefragt hast, werde ich’s dir sagen: Ich bin hier, weil ich schon mit zu vielen Schauspielerinnen ausgegangen bin... In den Kreisen, in denen ich mich bewege, lernt man kaum jemand anderen kennen – nun ja, bis auf die Mädchen aus der Steuerkanzlei, in der mein Wohngenosse arbeitet. Aber irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, mich in jemanden zu verknallen, der es so mit Zahlen hat.«
»Was stört dich an Schauspielerinnen?«, fragte Amelie fasziniert.
»Mein Gott, was stört mich nicht an ihnen?! Die sind alle so schrecklich ich-bezogen. Die wollen andauernd gebauchpinselt werden, ständig muss man ihnen sagen, dass sie abgenommen haben, dass sie von Auftritt zu Auftritt besser werden... Was erwarten die von mir? Dass ich ständig ihr Ego aufpolstere?!«
Amelie, die keine solche Tirade erwartet hatte, stieß ein nervöses Lachen aus. Aber was er sagte, war
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