Keine halben Küsse mehr!: Roman (German Edition)
Zetteln ergoss sich auf den Fußboden.
»Leb wohl, Jack, es war nett dich wiederzusehen.« Ich bückte mich, raffte hastig die wichtigsten Sachen zusammen und eilte zur Tür. Jack sprang auf und rannte mir nach, meine rote Wollmütze in der Hand, die er mir fast väterlich liebevoll über die Locken stülpte. »Sag mir, dass es dir nicht ebenso geht. Am, schau mich an und sag mir, dass du mich nicht auch noch liebst.« Er schaute mir tief in die Augen, legte seine Hand halb auf meine Wange, halb an meinen Hals, wie er es früher immer getan hatte.
Ich blickte zu ihm auf, betete um Stärke, um Standhaftigkeit. »Jack, du hast mir das Herz gebrochen!«, hörte ich jemanden schreien. Im Lokal wurde es still, ich blickte mich um, und mir wurde klar, dass ich es war, die diese Worte geschrien hatte. Ich räusperte mich und sagte leiser, »hör zu, keine Rede und mag sie noch so brillant verfasst sein, kann wiedergutmachen, was geschehen ist.«
Eine Traurigkeit stieg in seinen Augen auf, die ich nie zuvor darin gesehen hatte. »Ich werde dich nie wieder mit denselben Augen sehen können wie früher. Tut mir leid, dass du immer noch Gefühle für mich hast, aber für mich ist das vorbei. Es ist zu spät, Jack.«
Tränen traten in seine Augen, und mir ging es ebenso. Ich gab ihm einen Abschiedskuss auf die Wange. Gott, es war schrecklich, ihm so weh zu tun, es drückte mir das Herz ab. Es war genauso schlimm, als würde man seinen Vater oder seine Mutter weinen sehen. Und in diesem Moment wurde mir klar, dass er genau das war. Mehr ein Verwandter, ein guter Freund. Jemand, der mich sehr gut kannte; in vieler Hinsicht besser als ich mich selber. Ich weiß jetzt, dass er nicht der Eine für mich ist. Warum? Der Funke. Er war weg. Als er mich beim Abschied, bevor ich Hals über Kopf in die Dunkelheit flüchtete, leidenschaftlich küsste, merkte ich es: Der Funke war so gut wie erloschen.
15. KAPITEL
Auftritte und Cocktails
Zwölf Stunden später saßen Duncan und Amelie an ihren Schreibtischen und starrten die Schuhe des anderen an, während sie der lauten indischen Musik lauschten, die über den Gang dröhnend aus dem Studio drang.
Die Präsentation fand in weniger als zwei Wochen statt, und sie warteten noch immer vergebens auf das heißersehnte »heureka!«. Duncan warf einen Blick auf die Wanduhr und ließ dann die müden Augen über all die eselsohrigen Notizund Zeichenblöcke, all die zerknüllten Papiere, die den Boden vermüllten, die kryptischen Kritzeleien, die an den Wänden klebten, wandern. Er verzog das Gesicht. »Nun, es wird wohl doch Diana Ross werden«, sagte er niedergeschlagen und erhob sich. »Also ich brauche einen Kaffee. Willst du auch einen, Am?«
Amelie war in Gedanken immer noch beim gestrigen Abend mit Jack. Ihr Kopf dröhnte – sowohl vom Alkohol, den sie ihrem Körper schon wieder auf leeren Magen zugemutet hatte, als auch vom Schock der Erkenntnis, dass sie ihre einzige wahre Liebe endgültig abgewiesen hatte.
»Fehlt dir was, Amelie? Du siehst ein bisschen blass aus«, bemerkte Duncan.
Es war am besten so, redete sie sich ein. Natürlich war es das. Jetzt hieß es nach vorne, in die Zukunft schauen. Sich auf die Fast-Love-Kampagne konzentrieren. »Was? Entschuldige, Dunc. Nein, mir geht’s gut. Ein Kaffee wäre schön.«
»Und ein Croissant oder sonst was Essbares?«, drängte Duncan. »Du siehst richtig abgemagert aus, meine Süße. Du vergisst doch nicht wieder zu essen?«
»Nein, nein, es geht mir gut. Ehrlich, ich hab zur Zeit einfach keinen Hunger. Alles in Ordnung.« In diesem Moment piepte Duncans Telefon, und Amelie zuckte zusammen.
»Hallo?«, antwortete Duncan. »Ach, hallo, wie geht’s?« Eine zarte Röte stieg in seine Wangen, und er schlenderte, das Handy am Ohr, davon.
Amelie überlegte gerade, wer da wohl dran sein mochte, der Duncan zum Erröten brachte, als Sally plötzlich den Kopf um die Ecke steckte. Sie sah richtig glücklich aus, besser denn je.
»Hallo, Amelie! Wie geht’s?«
»Gut, gut.« Da Duncan außer Hörweite war, fragte sie: »He, weißt du, mit wem Duncan da telefoniert? Er ist rot wie eine Tomate geworden!«
»Ach, das muss SJ sein«, sagte Sally. »Er war inzwischen ein paar Mal mit ihr aus.«
Amelie war verwirrt. Wieso machte Duncan auf einmal ein solches Geheimnis um sein Liebesleben? Und wieso war sie die Letzte, die davon erfuhr?
»Hast du kurz Zeit für einen Schwatz?«, fragte Sally und ließ sich in den Sitzsack unweit von Amelies
Weitere Kostenlose Bücher