Keine Lady fuer Lord Strensham
letzte Stellung verlassen zu haben, weil ein Mann zudringlich wurde. Und wie es scheint, ist sie in einem Waisenhaus groß geworden.“
„Das arme Ding. Wann immer Mama und ich ein Waisenhaus besuchten, um Kleidung und Bücher zu spenden, brach es uns fast das Herz. Ich bin sicher, dass sie jeden Zierrat von den Kleidern entfernen und die Bücher verkaufen, um religiöse Abhandlungen anzuschaffen. Wir müssen der armen Kleinen helfen, wenn sie wirklich anständig ist. Und du kannst dir schon überlegen, wie du sie dafür belohnen willst, auf Nick aufgepasst zu haben. Das heißt, falls er und sein Gepäck noch da sind, wenn du ankommst.“
„Das wird er schon“, sagte Marcus zuversichtlich, und er sollte recht behalten.
Als sie die Lichtung erreichten, hatte Lydia einen Entschluss gefasst. Sie überließ es ihrem Mann und Marcus, sich um Nick zu kümmern und ihn aus der Hütte zu tragen. Selbst betrat sie schwungvoll die jämmerliche Unterkunft, sah sich kurz um und rümpfte die Nase.
Thea stockte der Atem. Ein Blick auf dieses umwerfend schöne Geschöpf mit dem goldenen Haar und in dem hochmodischen Kleid genügte, und sie kam sich noch zerzauster und unscheinbarer vor als sowieso schon. Sie unterdrückte einen tiefen Seufzer. Der Captain war jetzt in Sicherheit, also beschloss sie, dass es Zeit für sie war, sich heimlich davonzumachen.
Unauffällig ging sie auf die Tür zu, während die schöne Dame damit beschäftigt war, die wenigen Habseligkeiten des Captains hinaustragen zu lassen, und stieß im nächsten Moment heftig mit einem ihr nur allzu vertrauten Oberkörper zusammen.
„Wohin soll es gehen, junge Dame?“, fragte Marcus streng.
„Ja, Sie können doch nicht einfach verschwinden, meine Liebe“, rief die blonde Dame, die mit ihrer Schönheit und melodiösen Altstimme Thea fast gegen sie aufbrachte. Die Begleiterin des Majors war einfach zu vollkommen und alles das, was sie selbst ihren diversen Gouvernanten zufolge nicht war. „Sie haben sich immerhin so aufopfernd um den armen Nick gekümmert.“
„Ich habe nur auf das Feuer geachtet, ihm beim Schlafen zugesehen und ihm etwas zu trinken gegeben, wann immer er danach verlangte“, protestierte Thea.
„Wofür er sich selbst bei Ihnen bedanken wird, sobald es ihm besser geht. Aber möchten Sie nicht unter vier Augen mit mir reden, meine Liebe?“
Thea zögerte. Was konnte eine so vornehme Dame einem heimatlosen Niemand wie ihr zu sagen haben? Doch ihr Lächeln war so aufrichtig und warm, ihr lebhaftes Wesen so entwaffnend, dass Thea nachgab.
Marcus ließ die beiden Frauen allein.
„Keine Sorge“, sagte Lydia leichthin, als Thea sie auf die wartende Kutsche hinwies. „Sie kommen fünf Minuten ohne mich zurecht.“
„Natürlich, Madam“, stimmte Thea zu und verbarg ein amüsiertes Lächeln. Die Vorstellung, drei tüchtige Gentlemen, die immerhin den Befehl über die wichtigsten Regimenter Seiner Majestät besessen hatten, würden ohne die Hilfe dieser lebhaften Dame nicht in der Lage sein, eine simple Aufgabe auszuführen, war köstlich.
„Zehn Minuten könnten allerdings schon zu viel sein“, fügte Lydia mit einem Augenzwinkern hinzu. „Also lassen Sie uns gleich zum Thema kommen. Ich habe beide Cousins meines Gatten sehr gern, und Sie haben Ihnen einen Dienst erwiesen, für den ich Ihnen danken möchte.“
Thea senkte verlegen den Blick. „Als ich feststellte, dass es Gentlemen waren, war ich froh über ihre Gesellschaft, Madam. Es ist hier sehr einsam. In der ersten Nacht habe ich nicht schlafen können vor Angst.“
„Ich bewundere Ihren Mut, Hetty. Ich weiß nicht, ob ich ihn besessen hätte. Aber sind Sie auch fleißig und ehrlich? Marcus sagt, Sie sind ein Waisenkind.“
„Ich bin so ehrlich, wie ich es wagen kann, Madam.“
Lydia sah Thea durchdringend an, schien aber von ihrer Aufrichtigkeit überzeugt worden zu sein.
„Wenn Ihnen harte Arbeit wirklich nichts ausmacht, kann ich Ihnen die Stellung meines dritten Hausmädchens anbieten, das zu ihrer Familie zurückgekehrt ist, um sich um ihre verwaisten kleinen Geschwister zu kümmern. Ich nehme Sie einen Monat zur Probe, wenn Sie glauben, Sie können mich zufriedenstellen.“
„Ich wünsche mir nichts mehr, als ein Dach über dem Kopf zu haben und einen Platz, an den ich gehöre, Mylady.“
„Selbst wenn es nur ein so bescheidener Platz ist? Sie sprechen wie eine vornehme junge Dame und scheinen ein besseres Leben gewöhnt zu sein.“
„Schon lange nicht
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