Keine Lady fuer Lord Strensham
Skrupel hast, mein Geld mit vollen Händen auszugeben, kannst du mir auch kaum zum Vorwurf machen, wenn ich in meiner Verzweiflung zu jedem Mittel greife, dich damit zu versorgen“, erwiderte Marcus ungerührt.
Thea war so wütend auf das männliche Geschlecht im Allgemeinen und auf einen seiner Vertreter im Besonderen, dass sie, ohne weiter zu überlegen, nach dem Messer griff und damit auf Marcus losging.
„Du kleine Wildkatze!“, rief er erstaunt, entwand ihr das Messer aber mit einer Leichtigkeit, die Theas Zorn noch schürte.
Sich das schmerzende Handgelenk reibend, funkelte sie ihren angeblichen Gatten trotzig an. Carter sah die ungespielte Wut in ihren Augen und verwarf den anfänglichen Argwohn, das ganze Schauspiel könnte nur ihm zuliebe inszeniert worden sein. Die kleine Hexe war wirklich außer sich. Keiner konnte die Zornesröte in den Wangen und das Blitzen der Augen vortäuschen, ebenso wenig, wie das offensichtliche Vergnügen Seiner Lordschaft an dem Streit gespielt sein konnte. Wahrscheinlich freut er sich schon auf die Versöhnung, dachte Carter schmunzelnd.
Zwei weitere Umstände wiesen deutlich darauf hin, dass es sich hier unmöglich um die entlaufene Erbin handeln konnte – diese unglaublich grünen Augen und die schlanke Gestalt der Viscountess. Granby hatte von einer pummeligen Frau gesprochen mit „irgendwie blauen“ Augen. Am Ende gestand Carter seinen Irrtum ein.
„Es tut mir leid, Mylord, aber Sie können mir meinen Arbeitseifer nicht zum Vorwurf machen. Jetzt werde ich noch mal von vorn anfangen müssen, und das sollte Ihnen als Strafe für mich eigentlich reichen, ohne dass Sie darauf bestehen, mich dem Friedensrichter zu übergeben, oder?“
Marcus überlegte. „Könnte sein, aber die Frage ist vielmehr, ob ich mich auf Ihre Diskretion verlassen kann, Carter. Meine liebe Gattin schert sich einen Teufel um die Anstandsregeln, mir jedoch würde es nicht gefallen, sollte man meinen guten Namen durch den Dreck ziehen.“
„Ich verstehe schon, Mylord. Mein Auftraggeber wäre schließlich auch nicht glücklich darüber, mich zum zweiten Mal einer falschen Fährte folgen zu sehen. Also sind meine Lippen versiegelt. Ich liebe meinen Frieden und bin nicht gerade als Schwätzer bekannt. Machen Sie sich also keine Sorgen.“
„Gut, dann lasse ich die Tür für Sie offen“, erbot sich Marcus leichthin und löste den Gürtel, der die Knöchel des Mannes zusammenhielt. „Das nimmst du besser wieder an dich, meine Liebe. Ich möchte nicht, dass die Hose des Stalljungen herunterrutscht, bevor du sicher in meinem Schlafgemach angelangt bist.“
Carter grinste unwillkürlich, aber sein eigenes Problem war ihm im Augenblick wichtiger. „Was ist mit meinen Handfesseln, Eure Lordschaft?“
„Wirklich, Carter, seien Sie vernünftig“, entgegnete Marcus nicht unfreundlich. „Eine kleine Strafe müssen Sie schon in Kauf nehmen, dafür, dass Sie sich in meine Angelegenheiten mischten. Doch ich bin zuversichtlich. Bestimmt werden Sie einen Weg finden, sich bis zum Morgengrauen zu befreien. Derweil ich mich um meine Bürde kümmere“, fügte er seufzend hinzu. „Kommst du freiwillig mit mir, Liebes? Oder soll ich dich auch fesseln? Bis jetzt habe ich wirklich die Geduld eines Heiligen bewiesen, aber ein Mann hat schließlich seine Bedürfnisse, und die lasse ich mir nicht länger vorenthalten.“
„Ich hasse dich!“, fauchte Thea ihn an.
„Tu, was du nicht lassen kannst, mein Herzblatt.“ Damit hob er sie unvermittelt hoch und warf sie sich über die Schulter wie einen Kleidersack. Die Kerze ließ er zurück und ging mit großen Schritten in die Nacht hinaus, ohne auf seine zappelnde, schimpfende Last zu achten.
Carter kicherte leise. „Da hast du wahrlich alle Hände voll zu tun, mein Armer“, sagte er und rückte mit dem Stuhl auf das andere Ende des Tisches zu, wo Seine Lordschaft scheinbar nachlässig das Messer hatte liegen lassen. Zum ersten Mal während seiner langen Karriere kam Josiah Carter in Versuchung, aufzugeben und unverrichteter Dinge nach London zurückzukehren. Und sollte er dadurch den Auftrag Granbys und dessen unerträglicher Mutter verlieren, umso besser.
Thea war es leid, von tyrannischen, selbstherrlichen Männern behandelt zu werden wie ein Möbelstück. Zwar hatte Marcus sie vor der Gefangennahme gerettet, aber warum? Was mochten seine Absichten sein? Die Antworten auf diese Frage waren so beunruhigend, dass Thea wieder anfing, seinen Rücken von
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