Keine Lady fuer Lord Strensham
ihrer äußerst unvorteilhaften Stellung aus mit den Fäusten zu bearbeiten.
„Willst du das ganze Haus aufwecken, Mädchen?“
„Nein“, antwortete sie erschrocken.
„Dann sei still und zapple nicht so. Wenigstens bis wir im Haus sind.“ Er klang fast amüsiert. „Er ist vielleicht nicht allein gekommen, also könnten wir beobachtet werden.“
Thea hielt den Atem an, bis Marcus die Haustür hinter ihnen sanft ins Schloss drückte.
„Ein aufregender Abend. Aber vielleicht bist du so etwas ja gewöhnt … Hetty Smith“, sagte er spöttisch, während er sie behutsam wieder auf die Füße stellte.
Unbehaglich sah Thea ihn an. Ein ungutes Gefühl sagte ihr, dass der Abend noch nicht vorüber war. Zwar hatte Marcus sie gerettet, aber jetzt verlangte er offensichtlich eine Erklärung. Ratlos kaute sie auf der Unterlippe. Wie viel sollte sie ihm von ihrer unglaublichen Geschichte verraten?
„Die Bibliothek scheint mir der geeignete Ort zu sein“, überlegte er laut. „Um diese Zeit werden wir dort wohl allein sein.“
„Ich wünsche nicht, mit Ihnen allein zu sein, Mylord“, flüsterte sie aufgebracht.
„Zu deinem Pech fallen deine Wünsche bei mir im Moment nicht sehr ins Gewicht. Bevor ich nicht die ganze Geschichte gehört habe, wird keiner von uns zu Bett gehen. Falls du also nicht beabsichtigst, unser Gespräch in meinem Schlafgemach fortzuführen, bleibt dir nur die Bibliothek.“
Seufzend fügte Thea sich in ihr Schicksal und folgte Marcus, in Gedanken verzweifelt nach einem Ausweg suchend.
11. KAPITEL
Sobald er hinter ihnen abgeschlossen und den Schlüssel in die Tasche gesteckt hatte, entzündete Marcus die Kerzen eines Leuchters und fasste seine Gefangene ernst ins Auge. Offenbar war sie nicht verletzt, wie er erleichtert feststellte. Glücklicherweise hatte er sie gerade noch davon abgehalten, sich das schöne lange Haar abzuschneiden. Ob sie aussah wie eine Vogelscheuche oder eine Prinzessin, machte keinen Unterschied für ihn – in seinen Augen war sie wunderschön. In jedem Fall aber stellte sie ein Problem dar, und er täte gut daran, das nicht zu vergessen.
„Es tut mir leid, dich …“ Er hielt inne und verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. „Nein, zu so viel Vertraulichkeit habe ich jetzt wohl kein Recht mehr. Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen, Miss Hardy.“
Betreten senkte sie den Blick. „Sie irren sich, Mylord. Ich heiße Smith“, antwortete sie so unbeschwert, wie es einer Frau in ihrer Lage überhaupt möglich war.
„So viele Erbinnen befinden sich nicht auf der Flucht, wissen Sie“, unterbrach er sie ungeduldig. „Also sparen Sie sich Ihre Worte, und seien Sie ein gutes Kind. Nichts wird mich davon überzeugen können, dass Sie nicht das Mündel der Winfordes sind.“
Je öfter er sie „Kind“ nannte, desto mehr brachte er sie gegen sich auf. Fast hätte sie ihm die Zunge herausgestreckt, um ihren Gefühlen Luft zu machen. Doch da sie ihm so nur in die Hand spielen würde, begegnete sie seinem Blick mit majestätischer Gleichgültigkeit.
„Ich gebe nichts zu. Was gehen meine Angelegenheiten Sie überhaupt an, Sir? Selbst wenn ich diese Miss Hardy wäre, für die Sie mich irrtümlich halten.“
„Offenbar wollen Sie Ihren Vormund nicht heiraten und so …“
„Granby Winforde ist nicht mein Vormund“, protestierte sie hitzig und biss sich dann bestürzt auf die Unterlippe. Sein amüsiertes Lächeln zeigte ihr, wie wenig jedes Leugnen nützen würde. „Vor fünf Jahren“, begann sie mit einem Seufzer, „heiratete der Bruder meines Großvaters seine Mutter. Nur allzu bald – kurz vor seinem Tod – bereute er diese Torheit allerdings.“
Jetzt, da sie den ersten Schritt getan hatte, war ihr plötzlich viel leichter ums Herz. Sie erkannte, dass sie Marcus nicht in dem Glauben lassen wollte, sie und Granby verbände irgendetwas miteinander. Ob nun edles Blut in den Adern ihres Großvaters floss, wie er immer gern behauptet hatte, oder auch nicht, in jedem Fall war er viel mehr wert gewesen als die meisten adligen Gecken, die sie durch ihn kennengelernt hatte.
„Solche Spitzfindigkeiten lösen Ihr Problem nicht, Miss Hardy. Winforde ist nun mal Ihr Vormund und somit berechtigt, mit Ihnen zu verfahren, wie er es für richtig hält. Das heißt, bis Sie Ihre Volljährigkeit erreichen.“
Verzweifelt nickte sie. „Aber in sechs Wochen bin ich volljährig“, wandte sie ein.
„Dann können Sie nicht hoffen, hier in Sicherheit zu sein.
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