Keine Lady fuer Lord Strensham
ruhige Heben und Senken seiner Brust spürte. Während ihm wahrscheinlich nicht entging, wie atemlos sie war und wie heftig ihr Herz klopfte. Warum konnte sie in seiner Nähe nur nie einen kühlen Kopf bewahren?
„Nicht sehr klug von dir“, entgegnete er. „Dein Schicksal liegt in meinen Händen.“
Auf dreiste Weise ließ er den Blick über ihre skandalöse Aufmachung gleiten – von ihrem blassen Gesicht zu ihrer Brust, die sich deutlich unter dem dünnen weißen Hemd und dem ungeschickt gebundenen Halstuch abzeichnete, und von dort zur Rundung ihrer Hüften und den schlanken Beinen. Demütigung und Zorn trieben ihr die Röte in die Wangen. Wie sehr wünschte sie sich in diesem Augenblick, sie wäre nur wenige Zentimeter größer, um dem unerträglichen Mann das hämische Grinsen aus dem Gesicht zu schlagen.
„Keiner hat das Recht, das Schicksal eines anderen Menschen zu lenken. Außerdem weigere ich mich, irgendjemandes Dirne zu werden. Lieber würde ich Hungers sterben, als mich an Sie zu verschenken“, fuhr sie ihn an.
„An deiner Stelle würde ich vorher fragen, ob ich dich überhaupt will, meine Liebe.“
Eher geringschätzig hob er die Brauen, wobei ihm nicht entging, dass ihre hinreißenden Augen auch im Zorn die Farbe wechselten. Schnell vertrieb er die Erinnerung an eine ganz andere Gelegenheit, bei der ihre Augen dieses intensive Grün angenommen hatten. Jetzt war nicht der Moment, seinem Verlangen nachzugeben.
Um sich nicht von der Versuchung mitreißen zu lassen, gab er hastig ihr Handgelenk frei. Als Gentleman durfte er nicht vergessen, dass es seine Pflicht war, dieses Mädchen zu beschützen – auch vor ihm selbst, wenn nötig.
„Es reicht, Kind! Sag mir die Wahrheit, es sei denn, du möchtest morgen früh meinem Cousin in seiner offiziellen Funktion als Friedensrichter überantwortet werden.“
„Mit welcher Anklage?“, forderte sie ihn zornig heraus. Wenn er mich noch ein einziges Mal Kind nennt, dachte sie gereizt, werde ich es ihm schon zeigen. Nur wusste sie leider noch nicht, wie sie das tun sollte.
„Betrug, Täuschung, Diebstahl – irgendetwas fällt mir schon ein.“
„Das wird es wohl auch müssen, denn ich habe nichts gestohlen.“
Er musterte ihre skandalös bekleidete Gestalt und hob spöttisch die Augenbrauen.
„Dafür habe ich bezahlt“, teilte sie ihm verärgert mit.
„Dann bist du es, die bestohlen wurde“, erwiderte er verächtlich.
„Oh, ich könnte Sie umbringen!“, stieß Thea heftig hervor.
„Gerade eben hattest du ein Messer in der Hand, hast es jedoch nicht gegen mich eingesetzt. Du bist keine Mörderin, meine Liebe, wessen du dich auch sonst schuldig gemacht hast.“
„Ich bin nicht Ihre Liebe, und ich lasse mir auch nichts anhängen!“
Thea konnte seinen unverhohlenen Argwohn nicht länger ertragen. Sie spürte, wie ihre Augen sich mit Tränen der Verzweiflung füllten, und wandte sich abrupt ab. Erst als sie sich wieder einigermaßen in der Gewalt hatte, stellte sie sich wieder seinem strengen Blick.
„Ich möchte nur, dass man mich in Ruhe lässt. Ist das denn zu viel verlangt, Mylord?“
„Wenn du darauf bestehst, in einer solchen Aufmachung durch die Gegend zu ziehen, dann ist es zu viel verlangt, fürchte ich.“
Fast ließ sie sich überzeugen, dass er es ehrlich bedauerte, ihr nicht entgegenkommen zu können. Doch dann sah sie ihn plötzlich die Stirn runzeln. Er zog sie dicht an sich und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Schockiert von der unerwarteten Berührung mit seinem starken, männlichen Körper, wurde ihr der Sinn seiner Worte nicht sofort klar. Es vergingen einige Sekunden, bevor sie begriff. Das Blut gefror ihr in den Adern.
„Sprich weiter, als stünde ich noch neben dir“, wiederholte er ungeduldig. „Ich höre jemanden vor der Tür herumschleichen.“
Sie nickte. Das Herz klopfte ihr vor Angst bis zum Hals, während sie sich vorstellte, welchen Gefahren Marcus sich jetzt aussetzen mochte. In diesem Moment meinte sie, jeder Schlag, der ihn verletzte, müsste auch sie mit der gleichen Wucht treffen. Allerdings war jetzt nicht der Augenblick, hysterisch zu werden. Marcus würde sicher in der Lage sein, den Überraschungsmoment zu seinem Vorteil auszunutzen, wenn er nicht zu sehr den Gentleman in sich herauskehrte.
„Ich sehe nicht ein, warum ich nicht verlangen kann, in Ruhe gelassen zu werden“, redete sie weiter. „Trotzdem werde ich unablässig von Männern verfolgt, die mich um jeden Preis ausnutzen
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