Keine Panik Prinzessin
konnte. Und dann machte sich mein Mund schon wieder selbstständig und brüllte los, bevor er das, was er herausbrüllte, mit meinem Gehirn abstimmen konnte. »Du gehst nach Japan und erwartest von mir, dass ich samstags alleine zu Hause rumhocke, bis du wiederkommst. Und was ist, wenn ich keine LUST habe, allein rumzuhocken und auf dich zu warten? Hast du dir das schon mal überlegt? Hm??«
»Ach, Mia.« Michael wurde plötzlich sehr ernst. »Was sagst du denn da für Sachen?«
»Ich sage, dass ich erst sechzehn bin«, brach es aus mir heraus, bevor ich mich selbst daran hindern konnte. »Und du gehst für ein Jahr weg. Oder sogar länger. Und es ist einfach nicht fair, von mir zu erwarten, dass ich die ganze Zeit wie eine blöde Nonne zu Hause rumhocke, während du dich mit irgendeiner japanischen Klarinettistin vergnügst.«
»Mia.« Michael schüttelte den Kopf. »Was hast du denn die ganze Zeit mit deinen Klarinettistinnen? Ich verstehe kein Wort. Ich hab nicht die geringste Ahnung, wovon du redest. Aber ich erwarte bestimmt nicht, dass du wie eine blöde Nonne zu Hause rumhockst … Das hab ich nie von dir verlangt. Okay, ich hab zwar auch nicht angenommen, dass du unbedingt was mit anderen Typen anfangen willst, während ich weg bin – ich hab jedenfalls garantiert nicht die Absicht, was mit irgendwelchen Mädchen anzufangen, während ich weg bin –, aber wenn du das willst, dann wäre es wirklich nicht besonders fair von mir, dir das vorzuwerfen. Ich hab nur gedacht …«
Was auch immer er sagen wollte, anscheinend überlegte er es sich im letzten Moment anders und schüttelte nur den Kopf. »Ach egal. Hör zu, wenn es das ist, was du willst …«
Dabei war es ÜBERHAUPT nicht das, was ich wollte!!!! Es war sogar das Allerletzte, was ich wollte.
Aber es sah nicht so aus, als würde ich IRGENDETWAS von dem bekommen, was ich wollte. Gewollt hatte ich, dass Michael und ich uns heute unseren kostbarsten Schatz schenken – oops, Entschuldigung, miteinander schlafen – und dass er danach sagt, dass er seine Meinung geändert hat und morgen doch nicht nach Japan geht.
Aber jetzt hat sich herausgestellt, dass er keinen kostbaren Schatz mehr besitzt, den er verschenken könnte, und dass er sowieso nie hiergeblieben wäre, egal ob ich mit ihm geschlafen hätte oder nicht.
ICH HABE ALLE MEINE FEMINISTISCHEN GRUNDPRINZIPIEN VERRATEN UND IHM DAS ANGEBOT GEMACHT, HIER, JETZT UND HEUTE MIT IHM ZU SCHLAFEN, STATT ERST AM ABEND MEINES ABSCHLUSSBALLS, WIE ICH ES MIR EIGENTLICH IMMER VORGENOMMEN HATTE, UND ER HAT DANKEND ABGELEHNT.
Na ja, jedenfalls mehr oder weniger.
Hat er etwa wirklich geglaubt, ich würde ihm das verzeihen?
Und deswegen hab ich ihn angesehen und gesagt: »Ja, Michael. Das ist exakt das, was ich will. Es ist doch so: Wenn du unsere ganze Beziehung hindurch etwas so Wichtiges vor mir geheim gehalten hast, dann muss ich mich einfach fragen, was für eine Beziehung wir eigentlich haben. Ich meine, du warst mir gegenüber nicht ehrlich …«
»VERDAMMT NOCH MAL, DU HAST MICH NIE DANACH GEFRAGT!« Jetzt brüllte er auch. »Ich wusste doch gar nicht, wie wichtig dir das ist! Und ich hab keine Ahnung, wie du auf diesen Quatsch von wegen kostbarster Schatz kommst!«
Aber es war zu spät. Viel zu spät.
»Und dass du so bereitwillig in ein anderes Land ziehst«, sagte ich, »zeigt mir ja ziemlich deutlich, dass dir diese Beziehung sowieso nicht so viel bedeutet haben kann.«
»Mia.« Michael schüttelte den Kopf. Aber nur einmal. Er brüllte nicht mehr. »Tu das nicht.«
Aber was hätte ich denn sonst tun sollen? WAS???
Ich hob die Hände zum Nacken und löste die Schneeflockenkette. Die Kette, die er mir zum fünfzehnten Geburtstag geschenkt hat. Ich hielt sie ihm so hin, wie Arwen Aragorn ihre Abendsternkette als Abschiedsgeschenk hingehalten hat, damit er sich an sie erinnert, wenn er loszieht, um seinen Thron zurückzuerobern und so die Gunst ihres Vaters zu erringen.
Nur dass ich Michael seine Kette nicht zurückgab, weil ich wollte, dass er sich an mich erinnert.
Sondern, weil ich sie nicht mehr haben wollte.
Weil die Schneeflocke nämlich plötzlich zu einer Erinnerung daran geworden war, wer damals außer uns sonst noch auf dem Fest gewesen war.
Judith Gershner.
Okay, sie war zwar mit einem anderen Jungen dort gewesen – anscheinend hat die Schlampe einen ganz schönen Männerverschleiß –, aber trotzdem.
Bei Aragorn und Arwen war das sowieso etwas ganz anderes. Weil Aragorn
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