Keine Panik Prinzessin
die Wahrheit vor Grandmère verbergen zu wollen, sie würde sie sowieso früher oder später aus mir herauspressen. Deshalb sagte ich: »Er hat mit Judith Gershner geschlafen.«
Grandmère sah entzückt aus. Klar, damit hatte ich gerechnet.
»Er hat dich betrogen! Na, mach dir nichts draus. Es schwimmen noch viele Fische im Teich. Was ist denn zum Beispiel mit dem netten jungen Mann, der in meinem Musical mitgewirkt hat – der junge Reynolds-Abernathy? Der würde doch einen fabelhaften Begleiter für dich abgeben. Das ist so ein charmanter junger Mann. So groß und blond und attraktiv!«
Ich ging auf ihren Vorschlag gar nicht ein. Was hätte ich dazu auch sagen sollen? Manchmal frage ich mich, ob Geis
teskrankheit bei uns in der Familie liegt.
Nein, eigentlich WEISS ich es.
Stattdessen sagte ich: »Michael hat mich nicht betrogen. Er hat mit Judith Gershner geschlafen, bevor wir zusammen waren.«
»Ist das nicht die Kleine mit den Schmeißfliegen?«, erkundigte sich Grandmère. »Das ist natürlich unverzeihlich. Ich erinnere mich noch gut an die schwarzen Turnschuhe, die sie anhatte. Grauenhafte Treter waren das!«
»Grandmère!« Jetzt mal ganz im Ernst. Was geht im Kopf dieser Frau vor sich? »Es hat nichts damit zu tun, wie sie sich anzieht. Es geht darum, dass Michael mich ANGELOGEN hat. Ich hab ihn damals gefragt, ob er mit ihr zusammen ist, und er hat Nein gesagt. Außerdem hat er sie noch nicht mal geliebt. Ich meine, wer verschenkt seinen kostbarsten Schatz an einen Menschen, den er noch nicht einmal LIEBT?«
Grandmère sah mich stumm an. Sie wirkte etwas verwirrt. »Seinen kostbarsten was ?«
»Schatz!« Gott, wie bescheuert kann man eigentlich sein?
»SEINEN KOSTBARSTEN SCHATZ! Man hat nur einen. Und er hat seinen JUDITH GERSHNER geschenkt, einem Mädchen, in das er nicht einmal VERLIEBT war. Er hätte warten sollen. Er hätte ihn MIR schenken sollen.«
Dass er mich vor ein paar Stunden dabei ertappt hat, wie ich einen anderen Jungen geküsst hab, erwähnte ich nicht. Ich fand nicht, dass diese Information etwas zur Sache tat.
Grandmère sah noch verwirrter aus. »Handelt es sich bei diesem Schatz um eine Art Familienerbstück? Die Etikette schreibt vor, dass man ein Erbstück, das einem von einem jungen Mann geschenkt wurde, nur so lange behalten darf, wie die Beziehung andauert. Wird die Verlobung gelöst, muss das Erbstück zurückgegeben werden.«
»Sein kostbarster Schatz ist kein Schmuckstück, Grandmère«, sagte ich und musste schwer mit mir kämpfen, um nicht vollends die Geduld zu verlieren. »Sein kostbarster Schatz ist seine Jungfräulichkeit.«
Grandmère blinzelte verwundert. »Seine Jungfräulichkeit ? Aber die Jungfräulichkeit ist doch kein Schatz. Man kann sie ja noch nicht einmal als Accessoire tragen!«
»Grandmère«, stöhnte ich. Manchmal begreife ich nicht, wie jemand so was von überhaupt gar keiner Ahnung haben kann. Wobei es mich eigentlich nicht überraschen sollte, dass sie keinen Schimmer hatte, wovon ich sprach. Vor ein paar Tagen lief auf meinem iPod »Dance, Dance«, und sie hat gesagt, das sei aber ein hübscher »Ohrwurm« und von wem er denn wäre? Als ich ihr sagte, dass er von der Band Fall Out Boy ist, hat sie mit mir geschimpft, ich soll sie nicht auf den Arm nehmen, niemand würde seiner Band so einen albernen Namen geben. Ich hab versucht, ihr klarzumachen, dass das eine Anspielung auf »Die Simpsons« mit Bart Simpson ist, worauf sie nur gesagt hat: »Welcher Bart? Sprichst du von Wallis Simpson, der Frau, wegen der King Edward auf den englischen Thron verzichtet hat? Soweit ich weiß, hatte sie keinen Verwandten, der Bart hieß. Jedenfalls nicht dass ich wüsste.«
Sie ist einfach ein hoffnungsloser Fall.
»Die Jungfräulichkeit ist ein kostbarer Schatz, den man nur dem Menschen schenken soll, den man wirklich liebt«, erklärte ich ihr langsam und geduldig, damit sie es auch wirklich verstand. »Aber Michael hat ihn Judith Gershner geschenkt, einem Mädchen, das er nicht geliebt hat und mit der er, um es mit seinen eigenen Worten auszudrücken ›bloß ein bisschen rumgemacht‹ hat. Und jetzt hat er den Schatz nicht mehr, um ihn mir zu schenken, dem Mädchen, das er an geb lich liebt, weil er seinen Schatz schon an ein Mädchen verschwendet hat, an dem ihm gar nichts gelegen hat.«
Grandmère schüttelte den Kopf. »Die kleine Miss Gershner hat dir einen Gefallen getan, junge Dame. Du solltest ihr die Füße küssen. Welche Frau möchte
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