Keine Panik Prinzessin
bloß auf die Wange küssen. Aber in dem Moment hat er den Kopf gedreht und dadurch hab ich ihn auf den Mund geküsst.
Nicht mit Zunge oder so. Und auch nur eine Sekunde lang. Aber trotzdem.
Ich hab ihn geküsst. Auf den Mund.
Das wäre gar nicht weiter schlimm gewesen – bestimmt nicht –, wenn ich ihn nicht losgelassen hätte und mich – ziemlich verlegen, weil ich ja gar nicht vorgehabt hatte, ihn auf den Mund zu küssen – umgedreht und Michael gesehen hätte.
Er stand mitten im Gang zwischen den ganzen Schülern, die von einem zum anderen Klassenzimmer gingen, und sah total erschüttert aus.
In mir stiegen so viele Gefühle hoch, als ich mich umdrehte und ihn da stehen sah: Glück, weil ich mich immer freue, wenn ich Michael sehe. Schmerz, als mir wieder einfiel, was er mir angetan hat und dass wir jetzt ja nicht mehr zusammen sind. Erstaunen, weil ich mich fragte, was er in der Schule machte, obwohl er doch schon lange auf der Uni ist.
Und dann wurde mir klar, dass er da war, um zu versuchen, es mir zu erklären . Also, um das zu tun, was er mir in der SMS angekündigt hatte. Und dann sah ich seinen Gesichtsausdruck. Sein Blick wanderte erst zu mir und dann zu JP – dessen eine Hand, die er mir um die Taille gelegt hatte, als ich mich auf die Zehenspitzen gestellt und ihn geküsst hatte, immer noch in der Luft schwebte, als hätte er vergessen, wie man sich bewegt! – und dann wieder zurück zu mir.
Und ich wusste GENAU, was er dachte.
Und dann war ich nur noch verwirrt. Weil Michael ja denken musste, na ja … dass zwischen mir und JP irgendwas läuft.
Was natürlich nicht stimmt.
»Michael!«, sagte ich.
Aber es war zu spät. Weil er sich nämlich schon umgedreht hatte und davonging .
So als wäre ihm plötzlich klar geworden, was für ein kolossaler Fehler es gewesen war, herzukommen, um mich zu treffen!
Ich war fassungslos! Anscheinend bedeute ich ihm so wenig, dass er es noch nicht mal für nötig hielt, dazubleiben, um die Sache mit mir klarzustellen! Oder um JP eine reinzuhauen, weil er sich an seine Freundin rangemacht hatte!
Was wahrscheinlich daran lag, dass ich nicht mehr seine Freundin bin.
Und wahrscheinlich dürfte mich das alles auch nicht so verwundern. Ich meine, immerhin hat Michael gesehen, wie ich auf seiner eigenen Party mit JP sexy getanzt hab, und schon damals hat er kein Wort darüber verloren.
Aber damals hat er mich nicht so komplett ignoriert wie jetzt eben.
O Gott. Ich möchte gar nicht weiter darüber nachgrübeln. Ich hab gedacht, es würde mir guttun, alles aufzuschreiben, aber das hat gar nichts gebracht. Meine Finger zittern immer noch, während ich schreibe. Was ist bloß mit mir los? Und mein Magen fühlt sich echt komisch an. Das kann nicht am Cheeseburger liegen, das ist ja schon Stunden her … Außerdem hat mir Schwester Lloyd ja Tabletten gegen Sodbrennen gegeben.
Wieso hat er nichts gesagt? ICH HAB EINEN ANDEREN MANN GEKÜSST! Man sollte meinen, dass er irgendwas dazu zu sagen hätte, und wenn es nur ein »Lebwohl für immer« gewesen wäre.
Lebwohl für immer. O Gott. Und heute Abend fliegt er weg. Für immer.
Und dabei sah er so gut aus, als er vor mir stand, so groß und stark und frisch rasiert (glaub ich wenigstens. Ich hatte ja keine Gelegenheit, näher ranzugehen und nachzuschauen. Oder an ihm zu schnuppern.) O Gott! Ich vermisse den Geruch von Michaels Hals so sehr! Wenn ich jetzt daran schnuppern könnte, dann würde ich bestimmt aufhören zu zittern, und mein Magen würde aufhören, sich so komisch zusammenzuziehen.
Er sah so geschockt aus, so verletzt …
O Gott. Ich glaub, mir wird echt schlecht …
Freitag, 10. September – in der Limousine auf dem Weg ins Hotel Four Seasons
Im Krankenzimmer hab ich gekotzt. Lars hat mich gerade noch rechtzeitig dort hingebracht.
Keine Ahnung, wie das passieren konnte. Ich saß in Integral- und Differenzialrechnen und hab in mein Tagebuch geschrieben und plötzlich – ich sah gerade noch mal Michaels geschocktes Gesicht vor mir, als ich meine Lippen von JPs Lippen löste und mich umdrehte – fing ich an, am ganzen Körper zu schwitzen. Lars, der neben mir saß, fragte besorgt: »Prinzessin? Fühlen Sie sich nicht wohl?«, worauf ich sagte: »Nein.« Und bevor ich wusste, was überhaupt los war, brachte Lars mich zur Tür hinaus und zum Krankenzimmer, wo ich etwas ins Waschbecken kotzte, das so aussah, als wäre es der ganze Cheeseburger mit Speck, den ich zum Mittagessen in mich reingestopft
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