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Keine Pizza für Commissario Luciani

Titel: Keine Pizza für Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Paglieri
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verpasst zu haben, und davon träumte, Uniform
     und Waffe zu tragen. 1950 hatte er im Gefängnis von Marassi angefangen, aber die Vorgesetzten hatten ihm bald gesagt, er sei
     zu weich. Er schlug nicht fest genug zu, konnte die Häftlinge nicht einschüchtern. »Wenn die spüren, dass du ein lockeres
     Regiment führst, dann haben sie dich bald unter der Knute«, hieß es immer. Er wurde von Gefängnis zu Gefängnis versetzt, und
     jedes Mal ging ein bisschen von der Bindung zu den Kollegen verloren, während die zu den Gefangenen wuchs. Wohlgemerkt, die
     meisten waren hoffnungslose Fälle, tumbe Bestien von sinnloser Brutalität. Ignoranten, mit denen man kein vernünftiges Wort
     reden konnte. Es gab aber auch andere, und das waren nicht wenige, bei denen man wirklich nicht verstand, wie sie im Knast
     hatten landen können. Gebildete, intelligente und großzügige Menschen, die ihren Zeitgenossen helfen und aus Italien ein besseres
     Land hätten machen können. Manchmal kam Risso sogar der Verdacht, dass man sie genau deshalb weggesperrt hatte.
    Giuseppe Risso hatte nie seinen Vater kennengelernt, einen Fischer, der auf See gestorben war, als er gerade mal acht Monate
     alt war. In Mario Martone hatte er ein Vorbild gefunden. Sie hatten eine Weile gebraucht, um das gegenseitige Misstrauen abzubauen,
     aber schließlich waren sie Freunde geworden, oder etwas Ähnliches. Mario war schon unter dem Faschismus ins Gefängnis gekommen,
     nach dem |330| Krieg war er befreit, aber nach kürzester Zeit wieder inhaftiert worden, weil er angeblich gegen die Regierung konspiriert
     hatte. Sie hatten ihm zehn Jahre aufgebrummt dafür, dass er Dokumente gedruckt und verteilt hatte, in denen er zur Revolution
     aufrief, außerdem Pläne für einen Staatsstreich und die massive Einmischung fremder Regierungen in die italienische Politik
     entlarvte.
    »Ein Anarchist«, hatte Martone ihm eines Tages erklärt, »ist jemand, der meint, dass die Regierung der größte Feind ihrer
     Bürger ist.« In seinem weiteren Leben hatte Giuseppe Risso ihm wieder und wieder beipflichten müssen.
    »Das ist nicht gerecht«, hatte er eines Tages zu Mario gesagt. »Jedem müsste freistehen, zu denken, was er will. Solange man
     anderen Menschen kein Unrecht zufügt, kann man nicht verurteilt werden. Was für einen Sinn soll es haben, dir zehn Jahre zu
     geben, und ebenfalls zehn Jahre einem, der jemanden umgebracht hat?«
    Der alte Häftling hatte den Kopf geschüttelt. »Ich weiß. Aber so einfach ist das nicht. Der Staat gründet sich nicht nur auf
     einen Sicherheitspakt zwischen Bürgern, sondern auch auf allgemeingültige Ideen und Prinzipien. Wenn du einen Menschen tötest,
     gefährdest du den Staat nicht. Wenn du aber dessen Ideologie in Zweifel ziehst, dann wirst du sehr wohl zur Bedrohung.«
    Aus den zehn Jahren waren zwanzig geworden, nach einem Aufstand, bei dem Santo Stefano sich in ein Pulverfass verwandelt hatte,
     das jeden Moment in die Luft zu fliegen drohte. Wächter wurden als Geiseln genommen, Zellen angezündet, der Direktor auf der
     Flucht, Polizei und Militär im Anmarsch. Mario verabscheute Gewalt und war nicht unter den Anstiftern der Rebellion, aber
     nachdem sie einmal ausgebrochen war, exponierte er sich trotzdem, hatten die Häftlinge doch ihre guten Gründe, und außerdem
     wollte er, dass das Ganze ohne Blutvergießen abginge. |331| Natürlich wurde er am Ende als einer der Hauptverantwortlichen angesehen und mit der Höchststrafe belegt.
    Je vertrauter sie miteinander wurden, desto mehr Geschichten erzählte Mario Giuseppe, vom Krieg und vor allem von seinen Aktionen
     in den Bergen. Wie er den Suchkommandos der Nazis entkommen war, wie er einen Faschisten getötet hatte, indem er ihm, während
     dieser pinkelte, in den Rücken fiel, wie er einem Deutschen eine Pistole gestohlen hatte.
    Er kämpfte auf Seiten der Anarchisten, die mutiger, selbstloser und verhasster als alle anderen waren. »Alle schossen sie
     auf uns: Faschisten, Nazis, Amerikaner und allen voran die Kommunisten. Wir aber waren Brüder, jenseits aller Nationengrenzen.
     Wir kämpften in Italien, Frankreich und Spanien. Für uns war es absurd, in den Tod zu gehen, um Land als Geschenk für die
     Reichen zu erobern. Wir kämpften für die Freiheit, für Ideale, für eine gerechtere Welt, und wir waren immer bereit loszuziehen,
     um für die Schwächsten einzutreten.« Er hatte ihm von der Anarchie erzählt. Von ihren Prinzipien. Von ihren

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