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Keine Pizza für Commissario Luciani

Titel: Keine Pizza für Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Paglieri
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Sie dazu?«
    »Das Haus und der Besitz … bemerkenswert. Scheint, als hätten sie mehr bedeutet als das Leben.«
    »So war es auch. Aber natürlich kann man
res
und
domus
auch in einem weiteren Wortsinn interpretieren: als die Grundlagen des Staates. Wollen Sie auch den Friedhof und die anderen
     Gebäude sehen?«
    Der Kommissar nickte. Er wusste selbst nicht, wonach er genau suchte, und in solchen Fällen blieb ihm nichts anderes übrig,
     als einfach weiterzugehen, herumzuschnüffeln, sich zu zeigen, damit schließlich das Gesuchte ihn finden konnte.
    Sie gingen den gepflasterten Weg entlang, und der Buchhändler zeigte ihm die Überreste der Ställe, der Lagerräume und der
     Werkstätten, wo die Gefangenen Holz, Eisen, Glas und andere Materialien bearbeiteten, außerdem den Bereich für die freien
     Stunden. Es gab sogar ein Fußballfeld mit Zuschauertribünen, das an drei Seiten von einer Mauer eingeschlossen und von meterhohem
     Unkraut überwuchert war. Eine verblasste Schrift markierte den Eingang zu den Umkleidekabinen. »Wir sind hier alle fußballverrückt«,
     sagte der Buchhändler. »Ich glaube, die Wärter hatten auch eine |338| Mannschaft. Natürlich nicht so stark wie unsere aus Ventotene«, präzisierte er mit einem stolzen Lächeln.
    Der Kommissar ließ den Blick über die Insel mit ihrer üppigen Vegetation schweifen, aus der hie und da ein Feuerwerk aus weißen,
     gelben und violetten Blüten hervorleuchtete. Er versuchte sie mit Hilfe des Wissens aus dem mütterlichen Garten zu identifizieren.
     Aber er war nun einmal ein Kind des Betons und kam nicht über Ginster, Klatschmohn und Fenchel hinaus. Sie wurden von den
     Schreien der Möwen verfolgt, einige segelten sogar bedrohlich nah an ihnen vorbei. »Lassen Sie sich keine Angst einjagen.
     Jetzt ist die Zeit, in der sie Junge haben, und da manteln sie sich ein bisschen auf, aber sie greifen selten an. Vor allem
     keine Gruppen.«
    Für Marco Lucianis Geschmack war »selten« immer noch zu oft, und zwei Leute als Gruppe anzusehen, erschien ihm ziemlich optimistisch.
    Sie gingen weiter, bis sie den Friedhof erreichten, einfache Gräber, die ins Gras gebuddelt waren. Es mochten vierzig sein,
     auf vier Abschnitte verteilt. Auf jedem stand ein Holzkreuz, und ein größeres markierte das Zentrum des Gottesackers.
    »Es steht nicht ein Name da«, sagte der Kommissar, ein bisschen traurig.
    »Bei einigen war nie einer dran gewesen«, erklärte der Buchhändler, »bei anderen stand der Name auf Betonkreuzen, die aber
     in der Hitze zersprungen sind. Jetzt sind die Toten alle namenlos.«
    Schweigend betrachteten sie die Gräber. Ein schöner Ort für die ewige Ruhe, aber die Vorstellung, dass kein Verwandter, kein
     Freund jemals herkam, um die Toten zu besuchen, löste eine gewisse Beklemmung aus.
    Der Buchhändler seufzte und setzte zu einem langen Vortrag über Gaetano Bresci an, den Anarchisten, der |339| König Umberto I. getötet hatte. »Man weiß nicht einmal, ob man seine Leiche hier beerdigt oder einfach ins Meer geworfen hat.
     Sicher ist, dass die Wärter ihn zu Tode geprügelt haben. Nachdem er fünf Monate hier war, wurde er Opfer eines ›Santantonio‹.
     Wissen Sie, was das ist?«
    »Ehrlich gesagt, nein.«
    »Man wirft eine Decke über den Häftling und knüppelt so lange auf ihn ein, bis er tot ist. Dann taten sie so, als hätte er
     sich mit einem Laken am Zellengitter aufgehängt. Das war 1901, und verzeihen Sie, wenn ich das sage, aber in den letzten Jahren
     deutet vieles darauf hin, dass sich die Dinge seit damals nicht groß geändert haben.«
    Marco Luciani verzog das Gesicht. Er hatte keine Lust, eine Diskussion über dieses Thema anzufangen. »Wer einen Staatschef
     tötet, in diesem Fall sogar einen König, der stirbt im Allgemeinen entweder schon beim Attentat, oder er wird sofort danach
     getötet«, sagte er. »Das gehört zum Spiel dazu, und das weiß der Betreffende.«
    Der Buchhändler nickte. »Keine Frage, so ist es. Ich denke auch, dass Bresci damit rechnete. Aber gerade deshalb bewunderten
     sie ihn umso mehr. Ich weiß, dass er im Sinne des Gesetzes ein Mörder war, aber in Wahrheit war er ein Kämpfer für die Gerechtigkeit.
     Ein Tyrannenmörder, der das Blutbad von Mailand rächte, die Kanonen von General Bava Beccaris, der Hunderte Wehrloser niedergemetzelt
     hatte, die nur Brot und bessere Lebensbedingungen verlangten. Der König hatte ihm dafür einen Orden verliehen, und wen konnte
     man dann noch um

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