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Keine Pizza für Commissario Luciani

Titel: Keine Pizza für Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Paglieri
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kamen unter zerfurchten Felsen mit faszinierenden Namen vorbei: Fontanelle, Cala Battaglia, Cala Postina. Der Schiffer
     zeigte auf die Grotten, die Klippen, die Spalte im Tuff, wo früher die Tankschiffe Trinkwasser in die Militärzisternen gepumpt
     hatten.
    Als der Strand auftauchte, spürte Marco Luciani ein flaues Gefühl im Magen. Der passte genau zu dem Bild, das er sich ausgemalt
     hatte.
    »Können Sie hier landen?«
    »Ehrlich gesagt nicht. Der ist privat, hier darf ich nicht anlegen.«
    Der Kommissar nickte. »Halten Sie an. Es dauert nur fünf Minuten.«
    Der Schiffer kniff die Augen zusammen und schaute besorgt |347| gen Himmel. Dieser Kommissar wollte ihn wirklich in die Bredouille bringen.
    Er fuhr möglichst dicht an die Küste, Marco Luciani schlüpfte schnell aus den Kleidern und sprang in Badehose über Bord.
    Das Wasser war eiskalt, aber er spürte es nicht einmal. Er war ausschließlich auf diesen grauen Küstenstreifen konzentriert,
     der ihn rief. Mit gewaltigen Armzügen arbeitete er sich durch die Strömung. Nach wenigen Minuten war er da. Als er aus dem
     Wasser stieg, peitschte der Wind erbarmungslos auf ihn ein, aber auch das schien der Kommissar nicht zu spüren. Der graue
     Kiesstrand war vollkommen verlassen, es sah aus, als wäre seit Ewigkeiten niemand da gewesen. Bei näherer Betrachtung wirkte
     er aber auch ungewöhnlich sauber, bis auf ein bisschen Treibholz, das das Meer angeschwemmt hatte. Komisch, dass es kein Papier,
     keine Dosen oder illegal entsorgte Mülltüten gab, die auch einfach von der Straße heruntergeflogen sein konnten. Er hob die
     Augen. Der Strand war tatsächlich vor Blicken völlig verborgen, die einzige Spur menschlicher Zivilisation war ein Schlauchboot
     in einer Art Remise, zu der man eine Naturhöhle umfunktioniert hatte. Vom Meer aus war Luciani das entgangen. Er schaute nach
     oben und sah, im Tuffstein verborgen, zwei kleine weiße Fenster. Dort droben stand ein Haus, von da hatte man vielleicht Zugang
     zu Schlauchboot und Strand.
    Er ging am Wasser entlang und betrachtete aufmerksam den Sandstreifen, der in Kies überging. Es gab Glasscherben in Hülle
     und Fülle, in allen Farben, von denen eine jedoch besonders stark vertreten war. Er beugte sich nieder, wühlte mit den Händen
     im Kies und betrachtete eine davon im Gegenlicht. Dunkelblaues Apothekerglas, wiederholte er still für sich. Seit vierzig,
     fünfzig Jahren im Meer. Er kniff die Augen zusammen und sah zur Insel |348| Santo Stefano hinüber, deren Silhouette in einiger Entfernung wie eine uralte Schildkröte aus dem Wasser ragte. Die Häftlinge
     verarbeiteten Eisen, Leder und Holz. Und Glas. Flaschen für die Apotheken im Gebiet von Neapel. Ausschuss und Bruch wurden
     ins Meer geworfen, und von da transportierten die Strömungen sie auf diesen Strand, auf keinen sonst.
    »Commissario!«
    Er schreckte hoch und steckte das Glas reflexartig in die Tasche. Fragend drehte er sich zum Bootseigner um, der mit dem Finger
     auf den Gipfel der Klippen zeigte. »Commissario! Hier bin ich!« Minister Ranieri rief nach ihm, aus einem der Fenster gebeugt,
     die senkrecht über dem Strand hingen. Marco Luciani wurde schwindlig, seine Beine wurden weich.
    »Kommen Sie hoch!«, schrie der Minister und wedelte mit einem Arm. »Sehen Sie die Treppe?«
    Marco Luciani schaute nach links und erkannte, dass das, was er für eine Felsspalte gehalten hatte, in Wirklichkeit eine von
     Menschenhand geschaffene Schneise war, die seitlich an dem Felsvorsprung hochstieg, ohne Geländer, ohne Schutz, wenn man von
     einem fragmentarischen hölzernen Handlauf einmal absah, der höchst instabil wirkte. Wie viele der Menschen, die den Aufstieg
     versuchten, stürzten hier wohl zu Tode? Achtzig Prozent bestimmt.
    »Ich warte hier auf Sie!«, rief der Schiffer. Der Kommissar schüttelte den Kopf und schrie, er solle in den Hafen zurückkehren.
     Luciani würde vielleicht den Aufstieg überleben, aber dass er wieder herunterstieg, kam nicht in Frage. Er schleppte sich
     bis zur Treppe und war froh, dass er die Gummisandalen anbehalten hatte. Eine Schulter an den Fels gelehnt, den Blick starr
     geradeaus gerichtet, stieg er hinan, wobei er krampfhaft versuchte, nicht hinunter auf |349| den Strand zu schauen, der immer weiter in die Tiefe rutschte, fünf Meter, zehn Meter, zwanzig.
    Der Minister erwartete ihn vor der Haustür. Er trug Hosen und Hemd aus weißem Leinen, dazu weiche Ledermokassins und eine
     Sonnenbrille,

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