Keine Pizza für Commissario Luciani
Boot überblicken, und er konnte zumindest den Sinn eines
Großteils der Sätze verstehen, die gesprochen wurden. Er hatte die Schaluppe von Gennaro Fierro wiedererkannt, und zweifellos
stand dieser auch selbst am Ruder. Auch wenn er seine Stimme nicht gehört hätte, Fierros Art, sich zu bewegen, war unverwechselbar.
Jedoch war das Mondlicht zu schwach, als dass er die Gesichter der drei Männer auf der Yacht hätte erkennen können.
Alles lief glatt, bis zur Verladung der Statue. Zu viert und mit viel Mühe hievten sie sie hoch. Ein Mann, groß und kräftig,
gab die Befehle, der andere dagegen schien an körperliche Arbeit nicht recht gewöhnt zu sein, sonst hätte er die Statue nicht
so unbeholfen gegriffen und das Gewicht ganz anders auf Beine und Schultern verteilt. Schließlich trug Fierro auch noch das
Bündel mit dem Kopf auf die Yacht. Sie strahlten diesen mit den Taschenlampen an, der Blick der Göttin leuchtete in der Nacht
und jagte ihm einen alarmierenden Schauder über den Rücken. Einer der Römer stieg unter Deck, während ein anderer einen Koffer
öffnete und auf das Tischchen der Brücke einige Bündel brauner Banknoten packte. Der Bootsführer nahm eines in die Hand und
lächelte zufrieden. Er sagte etwas, die anderen lachten.
|267| Alles in Ordnung, dachte der Tarantino erleichtert. Den ganzen Abend über hatte er eine böse Vorahnung gehabt. Dabei hätte
er nicht einmal sagen können, ob es diese Städter waren, denen er nicht traute, oder eher Fierro. Fünf Millionen sind eine
starke Versuchung. Zwar hatte der Bootsführer Frau und Kinder in Ventotene, aber so manch einer wäre für diese Summe jederzeit
bereit, seine Familie im Stich zu lassen. Er fragte sich, was er wohl gemacht hätte, mit all diesem Geld für sich alleine.
In diesem Moment erhob der Bootsführer die Stimme, dann noch einmal. Irgendetwas stimmte nicht. Sie redeten von Millionen.
Drei, zwei, fünf. Vielleicht hatten die Römer sich nicht an die Absprachen gehalten und weniger Scheine mitgebracht als vereinbart.
Wenn die Sache sich zuspitzen würde, war er bereit einzugreifen. Da unten standen jetzt zwei gegen einen, aber Fierro war
nicht auf den Kopf gefallen, und mit dem Messer konnte er umgehen wie kaum ein Zweiter. Der Tarantino holte sein eigenes aus
der Scheide, einen Dolch mit handbreiter Klinge, stets perfekt geschliffen.
Dann ging alles zu schnell. Er sah, wie einer der Männer auf der Yacht, der große, kräftige, einen Arm ausstreckte. Die Geste
war eindeutig, er legte eine Pistole an. Doch der andere warf sich dazwischen und schrie: »Nein!« Der Bootsführer nutzte den
Moment, um sein Messer zu zücken, den Mann an der Gurgel zu packen und hinter ihm in Deckung zu gehen. Rasch begann der Tarantino
zum Strand hinabzuklettern. Dabei löste er einen Steinschlag aus, der in der Stille der Nacht wie Donnergrollen hallte.
»Da ist jemand«, hörte er einen der Römer sagen. »Wer ist da?«
Er antwortete nicht, kletterte aber weiter.
»Lass ihn los! Wir müssen weg. Sofort!«, sagte der mit der Pistole zum Bootsführer.
|268| »Nein. Zuerst schafft ihr den Kopf wieder auf mein Boot.«
»Das kannst du vergessen. Nimm deine drei Millionen und zieh Leine.«
Der Tarantino kletterte jetzt ohne jede Vorsicht die Felswand hinab, so schnell er konnte. »Heilige Maria, Mutter Gottes,
beschütz mich«, sagte er immer wieder. »Heilige Maria, Heilige Maria.«
Aus dem Augenwinkel sah er, wie sich der Bootsführer niederbeugte, um mit der linken Hand den Kopf der Statue zu greifen,
während er mit der anderen dem Hänfling weiter das Messer an die Kehle hielt.
Der Knall kam für alle überraschend. Der dritte Mann war unter Deck hervorgekommen und hatte geschossen, Fierro wankte, kippte
über die Reling und fiel ins Meer, den wertvollsten Teil der Statue mit sich reißend.
»Nein!«, schrie der Mann mit der Pistole. »Der Kopf!«
»Neiiiin!«, schrie auch er und schaltete instinktiv die Taucherlampe ein, die er am Gürtel trug. Er richtete den Strahl auf
die Brücke der Yacht und brüllte: »Halt!« Die Männer dachten vielleicht, die Küstenwache hätte sie überrascht, jedenfalls
gerieten sie sofort in Panik. Er hörte sie schreien: »Hauen wir ab!« – »Der Kopf!« – »Nichts wie weg!«, außerdem Flüche und
Anrufungen des Himmels ausstoßen.
Schließlich kümmerte sich der Tarantino nicht mehr um die Yacht, sprang auf einen Felsen und von dort ins Meer. Er
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