Keine Pizza für Commissario Luciani
Pressesprecher herbei, der freudestrahlend angetrabt kam, doch statt des erwarteten Lobes
erntete er ein ungeheuerliches Donnerwetter. Artikel |274| hatten vor ihrem Erscheinen immer kontrolliert zu werden, und zwar bis zur letzten Zeile.
»›Die Bronze von Santo Stefano wurde auf italienischem Territorium gefunden, und der italienische Staat ist ihr rechtmäßiger
Eigentümer. Die Statue wird unser Land nicht verlassen.‹ Mit diesen Worten hat Kulturminister Ludovico Ranieri erneut das
Skandalgeschrei beruhigt, das der Fund der wertvollen Skulptur, nur wenige Monate nach dem Verkauf der Insel an die Luxemburger
Investmentgesellschaft Wilhelmina, ausgelöst hat. Die Bronzeskulptur, die von verschiedenen Fachleuten dem Ausnahmekünstler
Lysipp zugeschrieben wird, ist von unschätzbarem Wert, und manch einer war besorgt, sie könnte im Ausland landen. ›Der einzige
Eigentümer der Bronze von Santo Stefano ist der Staat‹, hat der Minister hinzugefügt. ›Im Kaufvertrag steht ausdrücklich,
dass Italien das Vorkaufsrecht an allen Kunstschätzen hat, die auf der Insel oder in ihren Gewässern gefunden werden. Dies
gilt für Santo Stefano ebenso wie für jedes andere Grundstück, das der Staat an einen Privatmann abtritt.‹
Der Pressesprecher der Luxemburger Gesellschaft hat die Erklärungen des Ministers telefonisch bestätigt. ›Das Skandalgeschrei
entbehrt jeglicher Grundlage. Wir für unseren Teil sind glücklich, ein Werk von derart außergewöhnlicher Schönheit ans Licht
befördert zu haben. Wenn es auf der Insel verbleiben könnte, um dieser zu einem neuen Aufschwung zu verhelfen, würden wir
uns freuen, doch diese Entscheidung liegt allein beim italienischen Staat.‹ Der Wilhelmina wird der übliche Prozentsatz zukommen,
der laut Gesetz dem Finder archäologischer Stücke von nationalem Interesse zusteht. 25 Prozent des Wertes für den Finder und
25 Prozent für den Eigentümer des Grundstücks. In diesem Fall ein und dieselbe Person. |275| Es sei darauf hingewiesen, dass die Entschädigungszahlungen, zumindest in der Vergangenheit, weit unter dem Marktwert lagen.
Gleichzeitig sei daran erinnert, dass vor kaum einem Jahr ein Gesetz verabschiedet wurde, das die alten Prozentsätze bestätigt,
aber am realen Marktwert ausrichtet, um den illegalen Handel mit Fundstücken zu unterbinden. Das Gesetz trägt, und für ihn
ist die Sache von bitterer Ironie, auch die Unterschrift des derzeitigen Kulturministers.«
Diesmal hatten die Journalisten gut gearbeitet, dachte Ludovico. Sie hatten ehrlich gearbeitet. Aber der Teil, der ihm am
besten gefiel, waren die Kästchen an der Seite, mit den kleinen Fotos, auf denen die schönsten und berühmtesten Statuen der
Welt gezeigt wurden. Da waren die Bronzen von Riace, der tanzende Satyr, die Venus von Morgantina, die Nike von Samothrake,
der David von Donatello und die Pietà von Michelangelo. Bronzen und Marmorstatuen waren ein bisschen durcheinandergeraten,
ebenso die verschiedensten historischen Epochen, aber man durfte nicht zu viel verlangen. Wichtig war nur, dass die Bronze
von Santo Stefano in guter, nein in allerbester Gesellschaft war. Den nächsten Schritt musste nun sein amerikanischer Freund
tun.
|276| Sechsundvierzig
Luciani
Im Zug von Genua nach Rom, heute
Die junge Reporterin hatte Wort für Wort den »Off the record«-Ausbruch des Kommissars wiedergegeben. Es war immer dasselbe
Lied mit den Praktikanten. Sie kamen in die Redaktionen zurück, erzählten alles haarklein, und wenn sie dem Chefredakteur
dann sagten: »Das können wir aber nicht schreiben«, fing dieser zu toben an: »Wer sagt das denn? Wir entscheiden, was wir
schreiben! Und wir schreiben alles.«
Marco Luciani lächelte, als er die Schlagzeile las: »›Ich hätte dasselbe getan‹ – Der Kommissar und die Selbstjustiz.« Darunter
hatten sie auch noch ein Foto von ihm gesetzt, es war ein paar Monate alt, aus der Zeit, als er noch einen Bart trug.
Kaum war der Zug aus dem Bahnhof von La Spezia gerollt, schaltete er das Handy ein, und innerhalb einer Minute gingen vier
Benachrichtigungen von der Servicenummer ein. Der erste Anruf auf der Mailbox war von Polizeichef Iaquinta, der nachfragte,
ob er den Verstand verloren habe. Er sagte, Luciani solle den »Secolo XIX« lesen und ihn sofort zurückrufen. Der zweite war
von Iannece, der ihm mitteilte, dass Iaquinta ihn sprechen wolle und dass dieser fuchsteufelswild sei. Der
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