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Keine Pizza für Commissario Luciani

Titel: Keine Pizza für Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Paglieri
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für Gerechtigkeit zu sorgen. Dass uns das von den Tieren unterscheidet, auch von denen, die
     nach Italien kommen, um nur ihre Gelüste zu befriedigen, und die nicht die geringste Achtung vor dem Leben haben. Man hat
     mir beigebracht, dass es sich auszahlt, das Gesetz zu respektieren, Verbrechen zu begehen, hingegen nicht.«
    Dann waren die drei Vergewaltiger aus der Haft entlassen worden, und seine Tochter war in helle Panik geraten. Sie hatte geschrien,
     sie würde nie wieder nach Hause zurückkehren, solange sie wüsste, dass der frei herumspazierte, dass er ihr jederzeit über
     den Weg laufen konnte. Er stand unter Hausarrest, okay, aber wer konnte ihn daran hindern, die Wohnung zu verlassen und sich
     zu rächen, weil sie ihn angezeigt hatte? Das hatten die drei ihnen versprochen: Versucht uns anzuzeigen, und ihr seid tot.
     »Meine Frau, Signor Commissario, hat mich angeschaut, als wäre ich ein Stück Scheiße, ein Nichts. Wir können von Emanzipation
     faseln, solange wir wollen, aber wenn es zum Treffen kommt, wollen die Frauen doch, dass der Mann seinen Mann steht. Dass
     er sie schützt. Dass er sich seiner Verantwortung stellt.«
    Der Barbetreiber hatte sich die Adresse und eine Waffe besorgt. Wie, das brauche die Polizei nicht zu wissen. Er war am Vorabend
     nach Genua gefahren und war die ganze Nacht herumgeirrt, hatte sich Mut angetrunken. Im |264| Morgengrauen schließlich klingelte er mehrmals an der Tür des Albaners, und als er schon dachte, der wäre abgehauen, und nicht
     wusste, ob er darüber enttäuscht oder erleichtert sein sollte, machte der Kerl ihm auf, im Schlafanzug und mit grimmiger Miene.
    »Ich bin der Vater von Chiara«, hatte er gesagt, denn das war der wahre Name des Mädchens: Chiara, »die du vergewaltigt hast.«
    Der andere schaute die Waffe an und zog eine Grimasse, die man nicht so leicht vergaß. Angst und Verblüffung waren darin zu
     lesen, aber nur zum geringsten Teil. In Wahrheit sah der Vater darin vor allem Unausweichlichkeit: Ich weiß, was ich getan
     habe, ich weiß, jetzt habe ich dafür zu bezahlen. Dieser Blick war es, der ihm die Kraft zum Schießen gab. Die ersten zwei
     Schüsse in die Brust, und der Kerl ging zu Boden. Er bewegte sich aber noch, und wie. Er war vollkommen bei Bewusstsein, und
     in seinen Augen stand nun dieselbe Panik, die er in denen seiner Tochter gesehen hatte. Die panische Angst vor dem Tod. Er
     ließ sich aber nicht erweichen, mittlerweile kostete es mehr Mut, ihm zu helfen, als ihn kaltzumachen. Er schoss ihm in die
     Hoden, und der Schrei des Albaners wurde vom Blut erstickt, das aus seiner Kehle sprudelte. Der Vater schoss weiter, bis keine
     Kugel mehr übrig war, und als der andere sich nicht mehr bewegte, setzte er sich in die Küche, völlig leer, gleichzeitig aber
     so stolz auf sich, wie nie zuvor, sein ganzer Leib schien vor Freude zu brüllen.
    Marco Luciani konnte diesen Vater einfach nicht verurteilen. Im Laufe der Geschichte war die Justiz des Staates an die Stelle
     der Selbstjustiz getreten, nicht weil diese höher oder gerechter gewesen wäre, sondern einfach weil sie wirkungsvoller war.
     Im Prinzip ergab es absolut Sinn, dass Freunde oder Verwandte eines Mordopfers den Täter bestraften. Es war ihr Recht, wenn
     nicht sogar ihre Pflicht. |265| Aber oft waren ihnen die Hände gebunden, weil ihnen der Mut und die Mittel fehlten oder einfach weil die Mörder stärker waren
     als sie. Deshalb musste die staatliche Justiz eingreifen. Der Sheriff. Der Polizist. Der Richter. Ihm wurde die Aufgabe übertragen,
     den Schuldigen festzunehmen und ihm die angemessene Strafe zukommen zu lassen. Wenn aber die Bestrafung schon erfolgt war,
     zum Beispiel durch den Vater des Opfers, dann sollte die Sache damit erledigt sein, ohne eine Fehde zwischen dem Staat und
     dem Betreffenden auszulösen. Der die reinste und wahrste Gerechtigkeit geübt hatte, jene, die jeder von uns von klein auf
     in sich spürt. Die Justiz von Tex Willer, der so oft wie möglich das Gesetz der Menschen anwandte, aber auch bereit war, darüber
     hinauszugehen, wenn dieses nicht genügte.

|266| Vierundvierzig
    Ventotene, Oktober 1968
     
    Er lag geduckt zwischen den Felsen, bewegte sich nicht, versuchte, nicht einmal zu atmen. Seine sonnengegerbte Haut war von
     Dornen aufgerissen und juckte nach den Hieben der Brennnesseln, aber er widerstand der Versuchung, sich zu kratzen. Von seinem
     Beobachtungsposten aus konnte er perfekt die Yacht und das kleine

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