Keine Zeit und trotzdem fit
Inzwischen sind wir ein Volk von Sitzern. Die Konsequenzen dessen werden in den nächsten Kapiteln genauer beschrieben.
Der Club der Schulsportgeschädigten
Beim Sport geht es meist ums Gewinnen oder Verlieren. Ein deutliches Beispiel sind die Bundesjugendspiele. Die Leistungen werden nach Alter und Geschlecht und nicht nach dem körperlichen Entwicklungsstand eingefordert. Die Guten sind die Sieger, die Schlechten die Verlierer beziehungsweise Versager, und dies nur, weil sie zufällig gerade in der Leichtathletik unbegabt sind. Sie bekommen schlechte Noten und haben von Jahr zu Jahr immer weniger Freude am Sport. Die Folge ist, dass sie sich so unauffällig wie möglich aus dem Sport zurückziehen. Wahrscheinlich glauben sie dann wirklich, unfähig für Spiel und sportliche Leistungen zu sein. Der Sport ist ihnen oft lebenslang gründlich vermiest. Ein Großteil unserer bisherigen 15000 Seminarteilnehmer bestätigt dies und zählt sich zur Gattung der »Schulsportgeschädigten«.
Hier wird ungewollt der Grundstein zur Abneigung von körperlicher Betätigung gelegt. Tragisch ist, dass gerade diejenigen, die sich in der Jugend von der Bewegungsfreude abbringen ließen, später jahrelang Raubbau mit ihrer Gesundheit treiben, weil sie ihre frühere Erfolglosigkeit im Sport mit entsprechendem Erfolgsstreben im Beruf kompensieren wollen. Gertrud Höhler formuliert es so: »Die Leistungsethik prägte den belastbaren |36| Typus. Er gibt nicht auf; er diszipliniert sich gnadenlos, überhört die Erschöpfungssignale und missachtet seine physischen und psychischen Grenzen. Der Geist beherrscht den Körper. – Immer noch steht diese Form der Selbstverleugnung bei uns hoch im Kurs.«
Dieser Leistungsgedanke treibt viele auch an, noch fitter zu werden, um die beruflichen Belastungen besser aushalten, wenn nicht gar noch mehr Leistung bringen zu können. Ein probates Mittel: Sport treiben. Im Grunde eine gute Idee, wenn man nicht gerade von 0 auf 100 loslegt. Eine AOK-Studie von 2003 warnt nicht ohne Grund vor Gesundheitsgefahren, wenn dann plötzlich doch Sport getrieben wird. Da heißt es: »Jogger überfordern sich häufig und gefährden sogar möglicherweise ihre Gesundheit. Fast die Hälfte aller Männer und Frauen fordert ihren Körper so stark, dass der Sport nicht mehr unbedingt ihrer Gesundheit nutzt.« »Die Körperwahrnehmung der untersuchten Sportler ist insgesamt schwach ausgeprägt«, urteilt Henning Allmer, ehemaliger Leiter des Institutes für Sportpsychologie der Deutschen Sporthochschule Köln. Hans-Georg Predel, Direktor des Institutes für Sportmedizin und Kreislaufforschung, Deutsche Sporthochschule Köln, wandte sich vor diesem Hintergrund gegen pauschale Aufforderungen zum Sport. »In der Vergangenheit haben sich allgemein sportmedizinische Appelle wie ›Treibt mehr Sport‹ als ineffektiv herausgestellt.« Denn selbst wenn sich die Deutschen entschließen, ihrer Gesundheit zuliebe aktiv zu werden, ist dann die Gefahr einer Überforderung sehr groß.
Nach einer anderen Studie finden nur 13 Prozent der Deutschen die richtige Dosis an Bewegung, um ihren Körper präventiv zu stärken. » Jeder Zweite ist ein ›Couchpotato‹, die Deutschen werden immer dicker und träger«, beklagt die Münchner Sportmedizinerin Silja Schwarz. 30 Prozent der deutschen Erwachsenen seien körperlich kaum aktiv, 45 Prozent trieben gar keinen Sport. » Gerade einmal 13 Prozent erreichen die derzeitige Empfehlung für ein ausreichendes |37| körperliches Aktivitätsniveau. Danach sollte jeder mindestens an drei, am besten an allen Tagen der Woche wenigstens eine halbe Stunde körperlich so aktiv sein, dass er dabei leicht ins Schwitzen gerät.« Besonders zugenommen hat die Zahl der Bewegungsmuffel bei Kindern und in der Altersgruppe zwischen 25 und 40 Jahren. »Das Aktivitätsniveau der meisten ist wirklich beschämend«, so der Leiter des Institutes für Sportmedizin an der Universität in Hamburg, Professor Dr. med. Klaus-Michael Braumann.
Im Gegensatz dazu übersäuert sich jeder zweite Hobby-Skilangläufer und trainiert im ungesunden Bereich.
Viele Arten und Weisen, mit denen Menschen versuchen, sich durch Sport gesund zu halten, sind infrage zu stellen. Das einzig wirksame Mittel gegen Krankheit ist trotzdem die Bewegung.
Vom Stolz, nicht als Verlierer zu gelten
Bei Volksläufen können Anfänger zum Übertreiben verleitet werden. Die Erfahrung zeigt, dass sie in den meisten Fällen durchhalten, um ihre
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