Keine Zeit und trotzdem fit
hat die Zahl der von Rückenschmerzen geplagten Bundesbürger in den letzten acht Jahren um 30 Prozent zugenommen: Heute geben fast 70 Prozent der Bundesbürger an, dass sie öfter Rückenbeschwerden haben. Acht Jahre früher betraf dies lediglich jeden Zweiten (53 Prozent). Auch die Zahl der Menschen mit ständigen Schmerzen hat sich mehr als verdoppelt: Sagten 1998 noch 6 Prozent der Befragten, ihnen schmerze der Rücken täglich, sind es 2006 bereits 15 Prozent.
Nach einer Lösung wird seit Jahren gesucht. Früher wurden Rückenbeschwerden mit Schonung der Skelettmuskulatur behandelt. Schon 1990 allerdings ermittelte Jan Hildebrandt, Schmerzexperte am Universitätsklinikum Göttingen, dass gerade diese Schonhaltungen, also Ruhe in Verbindung mit physikalischen Anwendungen, die Entwicklung von chronischen Rückenschmerzen begünstigen. Er plädiert seitdem mit Vehemenz für ein kombiniertes Kraft- und Ausdauertraining unter fachmännischer Anleitung.
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|58| Bewegung ist der Schlüssel
Die Muskulatur eines untrainierten Menschen reicht zwar aus, um mit den Anforderungen des normalen Alltags fertig zu werden; sie verkrampft aber leicht bei plötzlichen stärkeren Belastungen. Schwache und ungleichgewichtige Muskulatur verbraucht zudem viel mehr Sauerstoff für normale, einfache Tätigkeiten. Kurzatmigkeit und frühzeitige Erschöpfung sind oft die Folge. Mit kraftloser und verkürzter Muskulatur neigen wir außerdem dazu, sogenannte Schonhaltungen einzunehmen. So wird die Beweglichkeit und Elastizität weiter verringert. Solcher Bewegungsmangel wirkt sich besonders auf die Gelenkfunktionen aus. Die wiederum ist abhängig von der dämpfenden Knorpelschicht. Eine vordergründig schmerzlindernde Schonhaltung des Gelenks wird deshalb eher zu einer Verschlimmerung des Zustandes als zu einer Heilung führen. Sowohl Arzt als auch Patient beginnen zum Glück, inzwischen umzudenken.
Kraft- und Ausdauertraining statt Bettruhe führt bei Gelenkschmerzen zu einer schnelleren Genesung
Schließlich ist das immer stärker in Erscheinung tretende Phänomen der Osteoporose eine weitere Folge unseres Bewegungsmangels. Bei Frauen wird übrigens Osteoporose nach der Menopause durch die Hormonumstellung noch verstärkt. Osteoporose ist nicht durch |59| Medikamente oder besondere Ernährung zu heilen. Gegen sie hilft nur eine muskuläre Anstrengung gegen die Wirkung der Erdanziehungskraft. Untersuchungen beweisen, dass bei einem zweijährigen entsprechenden Training die Knochendichte um 12 Prozent erhöht werden kann. Deshalb ist zum Beispiel schon Tai Chi (meditative chinesische Bewegungsübungen im Stehen mit langsamen gleichmäßigen Bewegungsabläufen) eine gute Osteoporosevorbeugung.
Der größte Gewinn jedoch liegt in der Verbesserung der Ökonomisierung, das heißt des Sich-aufeinander-Einstellens von Herz-Kreislauf und Muskelkoordination. Die Sauerstoffeinsparung beträgt bei einfachen Bewegungsformen wie Laufen oder Radfahren zwischen 10 und 20 Prozent, bei komplizierten Bewegungsabläufen wie Schwimmen, Tennis oder Squash sogar bis zu über 50 Prozent. Der Muskelumfang nimmt sichtbar zu. Obendrein verbessern sich die Blutfettwerte in erfreulicher Weise.
Muskeltraining mit und ohne Gerät mit einer Intensität ab 30 bis 50 Prozent der Maximalkraft bewirkt wahre Wunder. Schon nach sechs Wochen täglichen Übens von nur 10 Minuten steigt die Leistung erstaunlich an. Ich selbst, Gert von Kunhardt, konnte durch ein tägliches Muskeltraining von lediglich fünf Minuten mit hochelastischen Bändern meine Muskelmasse innerhalb eines Jahres um 2 Kilogramm steigern. Und das im Alter von über 60 Jahren! Das bestätigt Hollmanns These, wonach man bis ins hohe Alter noch Muskelzuwächse erreichen und so stark wie ein jüngerer Mensch sein kann.
Das Prinzip der »Superkompensation«
Wenn man regelmäßig, also drei- bis viermal pro Woche Ausdauertraining betreibt, dankt der Organismus dies durch ein besonderes Phänomen: Er schafft sich Reserven. Man nennt dieses Phänomen »Superkompensation«.
|60| Durch Ausdauertraining wird bekanntermaßen schon nach wenigen Wochen eine deutliche Zunahme erreicht:
an leistungsfähigen Muskelfasern (das Herz beispielsweise bekommt 100 bis 200 Gramm mehr Muskelmasse);
an Sauerstoffkapazität (1 bis 2 Liter mehr Blut und eine größere Anzahl roter Blutkörperchen);
der Durchblutungskapazität (Steigerung um das 50- bis 100-Fache durch Öffnung sämtlicher Kapillaren).
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