Keine Zeit und trotzdem fit
zweiten Mal aber immer noch die gleiche niedrige Pulsfrequenz (38 Schläge pro Minute im Liegen) hatte, konnte ich sie überzeugen, dass das eben eine Folge meines regelmäßigen und moderaten Trainings war.
Schließlich, und das sind die sicheren Erkenntnisse maßvollen Ausdauertrainings: Die Konzentrationsfähigkeit wird deutlich erhöht, weil das Gehirn besser mit Sauerstoff versorgt wird.
Immunsystem und Sport
Eine der bekanntesten Ultra-Langläuferinnen der Welt, die Immunbiologin Lynn Fitzgerald, London, stellte fest: »Immer wenn |64| ich beste sportliche Leistungen erbrachte, war ich am wenigsten gesund.« Tatsächlich ergaben Versuche, dass intensiver Sport die Immunlage zum Teil dramatisch verschlechtert. Bei 2-stündigem intensivem Tennisspiel beispielsweise reduziert sich ein bestimmter Immunabwehrbereich (die IgA-Konzentration) um 70 Prozent. Die Regenerationsphase dauert bis zu 48 Stunden. Kein Wunder, dass Spitzensportler so häufig mit Krankheiten und Verletzungen pausieren müssen. Wilfried Kindermann, Leiter des Sportmedizinischen Instituts der Universität Saarbrücken, erklärte vor einiger Zeit auf einem Symposium, dass das Immunsystem durch Hochleistungssport geschwächt wird und zu problematischen Mangelzuständen führt.
Man fand aber auch heraus, dass geringe Belastungen überaus vorteilhaft für die immunologische Abwehrlage sind: Bei dem Versuch, sogenannte natürliche Krebskillerzellen (NK-Zellen, die zur Untergruppe der Lymphozyten gehören, die unabhängig vom Immunsystem arbeiten) zu aktivieren, wurde ermittelt, dass sich diese schon bei 20 Minuten langsamen Laufens auf einem Laufband aktivieren ließen. Hingegen werden diese Killerzellen bei einem intensiven Training zwar vermehrt, bleiben aber inaktiv. Sie stellen ihre Arbeit ein. Damit sind Infektionen Tür und Tor geöffnet. Ich selbst, Gert von Kunhardt, war durch unser damaliges hochintensives Vorbereitungstraining nie so oft krank wie unmittelbar vor großen Wettkämpfen.
Seitdem der Durchbruch zu diesen Erkenntnissen gelungen ist, sind viele solche Meldungen durch die medizinische Presse gegangen: Nach mäßigem Ausdauertraining verringern sich beispielsweise die Cholesterinwerte LDL (Low-Density-Lipoprotein). Sie sollen für die Arteriosklerose verantwortlich sein. Dagegen erhöhen sich die HDL-Werte (High-Density-Lipoprotein), die für die »Reinigung« der Arterien zuständig sind. Oder: Innerhalb von zwei Wochen Ausdauertraining sank der Adrenalinspiegel (Stresshormon) um 61 Prozent und der Noradrenalinspiegel (Aggressionshormon |65| ) um 44 Prozent. Außerdem stieg der Rezeptorenbesatz um circa 1 000 pro Zelle. Diese Rezeptoren mit ihrer Saugstutzenfunktion fischen sozusagen die Stresshormone aus dem Kreislauf heraus und machen sie unwirksam.
Wichtig an diesen Meldungen ist der Hinweis, dass diese Wirkung nur bei mäßigem Ausdauertraining eintritt: »Nur Ausdauertraining kann eine Anpassung des sympathischen Nervensystems erzeugen«, so Manfred Lehrmann von der Universität Freiburg.
Heinz Liesen veröffentlichte, dass bei einem einjährigen regelmäßigen Training das protektive HDL-Cholesterin um 50 Prozent ansteigt. Es hat gewissermaßen eine Röhrenputzfunktion, um Ablagerungen im Herz-Kreislauf-System zu verhindern beziehungsweise sogar abzubauen. Dieser Vorgang verringert die Arteriosklerose- und damit Herzinfarktgefahr.
Geradezu sensationell ist dabei die Erkenntnis, dass ein überhöhter Insulinspiegel die eigentliche Ursache der Arteriosklerose ist. Er ist als wichtiger Faktor dazu ermittelt worden. Ein Abbau des Insulins kann durch eine erhöhte Sensibilität der Insulinrezeptoren erfolgen, die das Insulin sozusagen aus dem Kreislauf herausfischen. Professor Dr. med. Dietmar Sailer, Chefarzt der Frankenklinik in Bad Neustadt/Saale, erklärte auf den Mannheimer Gesundheitstagen, dass in seiner Therapie durch Ausdauertraining eine praktisch hundertprozentige Heilung von Diabetes II, der sogenannten Altersdiabetes, erreicht wird. Professor Dr. med. Klaus Völker, Leiter des Instituts für Sportmedizin in Münster, berichtet von ähnlichen Ergebnissen.
Die Sensibilitätserhöhung kann aber nur durch körperliches Training erreicht werden. Ein Beispiel mehr dafür, wie sich der Körper bei regelmäßiger Beanspruchung selbst zu helfen weiß. Das ist besonders wichtig für die 15 Millionen Bundesbürger, die nach Hochrechnungen des Gesundheitsministeriums eine Veranlagung für Diabetes haben.
Eine andere
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