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Keine zweite Chance

Keine zweite Chance

Titel: Keine zweite Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Dollar?«
    »Die Scheine haben keine aufeinander folgenden Nummern, für den Fall der Fälle haben wir sie aber notiert.«

    Ich sah erst Carson, dann wieder Edgar an. »Meint ihr nicht, wir sollten das FBI verständigen?«
    »Nein, lieber nicht.« Edgar setzte sich auf den Schreibtischrand und verschränkte die Arme vor der Brust. Er roch nach Pimentöl-Haarwasser wie ein Friseursalon, doch außerdem war da noch ein anderer, etwas ranziger Geruch. Aus der Nähe sah man dunkle Ringe um seine Augen. »Die Entscheidung liegt bei dir, Marc. Du bist ihr Vater. Wir werden deine Entscheidung respektieren. Aber wie du weißt, habe ich mehrfach mit dem FBI zu tun gehabt. Womöglich habe ich Vorurteile, weil ich glaube, dass es ihnen an Kompetenz mangelt, oder weil ich gesehen habe, wie sehr sie sich von persönlichen Vorlieben und Abneigungen leiten lassen. Wenn es um meine Tochter ginge, würde ich mich lieber auf mein Urteil verlassen als auf ihres.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte. Edgar erledigte das für mich. Er klatschte einmal in die Hände und deutete zur Tür.
    »In dem Brief steht, du sollst nach Hause gehen und warten. Ich denke, dem sollten wir nachkommen.«

3
    Derselbe Fahrer erwartete mich. Die Sporttasche an die Brust gepresst, setzte ich mich auf den Rücksitz. Meine Gefühle schwankten zwischen größter Angst und einem sonderbaren Hochgefühl. Ich konnte meine Tochter zurückbekommen. Ich konnte alles vermasseln.
    Aber eins nach dem anderen: Sollte ich die Polizei anrufen?
    Ich versuchte, mich zu beruhigen, das Ganze besonnen und mit kühlem Kopf anzugehen, die Vor- und Nachteile abzuwägen. Das klappte natürlich nicht. Ich bin Arzt. Ich habe schon viele lebenswichtige Entscheidungen getroffen. Ich weiß, dass man
dazu am besten den überflüssigen Ballast — die überschüssige Leidenschaft — aus der Gleichung entfernt. Aber das Leben meiner Tochter stand auf dem Spiel. Meiner eigenen Tochter. Und damit, wie ich schon zu Anfang gesagt habe, meine Welt.
    Das Haus, das Monica und ich gekauft haben, liegt buchstäblich um die Ecke von dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin und in dem meine Eltern noch immer leben. Ich sehe das mit gemischten Gefühlen. Eigentlich wohne ich nicht gern so nahe bei meinen Eltern, doch die Schuldgefühle, die ich bekäme, wenn ich sie im Stich ließe, gefallen mir noch weniger. Mein Kompromiss: Zieh in die Nähe und reise viel.
    Lenny und Cheryl wohnen vier Blocks entfernt, neben der Kasselton Mall, in dem Haus, in dem Cheryl aufgewachsen ist. Cheryls Eltern sind vor sechs Jahren nach Florida gezogen. Sie hatten sich im benachbarten Roseland eine kleine Eigentumswohnung gekauft, damit sie der sommerlichen Gluthitze des Sunshine State entfliehen und ihre Enkel besuchen konnten.
    Ich lebe nicht besonders gern in Kasselton. Der Vorort hat sich in den letzten dreißig Jahren kaum verändert. Als Jugendliche hatten wir uns über unsere Eltern, ihren Materialismus und ihre scheinbar sinnlosen Werte lustig gemacht. Inzwischen sind wir zu Ebenbildern unserer Eltern geworden. Wir haben sie einfach ersetzt und Mom und Dad in irgendein Altersheim abgeschoben, das bereit war, sie zu nehmen. Und unsere Kinder haben uns ersetzt. Aber Maury’s Luncheonette ist noch immer an der Kasselton Avenue. Wir haben noch immer unsere Freiwillige Feuerwehr. Die Kinder-Softballspiele der Little League finden noch immer auf dem Northland Field statt. Die Hochspannungsleitungen verlaufen noch immer zu nah an meiner alten Grundschule. In dem Wäldchen hinter dem Haus der Brenners an der Rockmount Terrace hängen die Jugendlichen noch immer rum und rauchen. Aus der High School schaffen es noch immer fünf bis
acht Schüler in den nationalen Bestenwettbewerb, wobei in meiner Jugend eher die jüdischen Namen dominierten, jetzt hingegen die Nachkommen asiatischer Einwanderer.
    Wir bogen nach rechts in die Monroe Avenue ein und fuhren an dem Einfamilienhaus vorbei, in dem ich groß geworden war. Es war weiß mit schwarzen Fensterläden. Küche, Wohn- und Esszimmer drei Stufen erhöht auf der linken Seite, Schlafzimmer und Garage zwei Stufen abgesenkt auf der rechten. Unser Haus war vielleicht etwas verlebter als die meisten, war jedoch von den anderen Fertigbauten kaum zu unterscheiden. Nur eins war grundsätzlich anders: die Rollstuhl-Rampe. Wir hatten sie nach dem dritten Schlaganfall meines Vaters bauen lassen. Ich war damals zwölf. Meine Freunde und ich sind sie immer mit Skateboards

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