Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich...
mit
Knieschmerzen los. Hallo Pilgerproblem No. 2, direkt nach den Blasen, aber
meiner Auffassung um einiges unangenehmer. Ich werde es im Auge behalten
müssen. Die „Reise“ nach Burgos gleicht einem Alptraum. Man durchquert die
typischen Teile einer Großstadt, um ins Zentrum zu gelangen. Hier ist nichts,
aber auch gar nichts Schönes. Viele ersparen sich den Anblick und nehmen den
Bus. Verstehen kann ich sie, aber wie schon erwähnt, gehören für mich die
weniger guten Augenblicke genauso zum Weg dazu. So muss halt jeder selbst
entscheiden. Das Zentrum von Burgos selbst ist schön, aber Supermärkte sind rar
gesät. Immerhin ist ein Friseur direkt neben der Herberge. Mir gehen meine
stetig wachsenden Haare auf den Geist. Also bezahle ich 10 Euro für einen
Haarschnitt, den ich zu Hause schneller und umsonst haben kann. Aber besser
fühle ich mich definitiv danach. Die Kathedrale von Burgos ist zu einem
Großteil als Museum mit Eintrittspflicht umfunktioniert. Erschreckend die
Bildschirme in der Kirche und der stetige Hintergrundgesang eines Chores über
in der Kirche verteilte Lautsprecher. Burgos ist nichts für mich. Zu viele
Leute, kein wirklich für mich interessanter Part, den ich unbedingt besichtigen
will. Der Weg bietet genug Eindrücke. Rocky, die Schwester von Sandford,
berichtet, dass er einen Tag hinter mir ist. Sie will einen weiteren Tag in
Burgos verbringen, auf ihn warten und nebenbei das Neandertalermuseum
besichtigen, weil sie die Ausstellung in Atapuerca schon nicht gesehen hat.
Ich denke so bei mir: „Wenn ich Neandertaler sehen möchte,
fahre ich in unsere Landeshauptstadt. Die bewegen sich sogar noch“. Abends
treffe ich mich noch mit Lucinda und Margaret und wir gehen einen Döner essen.
Der Magen schreit nach der stetigen Zuführung von Pilgermenüs nach Abwechslung.
Im Anschluss vor dem Schlafengehen setze ich mich noch mit einem Dosenbier vor
die Herberge und schreibe Tagebuch. Die Nacht in unserer riesigen Herberge ist
ruhig, die knapp 500 Betten auf vier Etagen sind gut verteilt und die wichtigen
Dinge wie Dusche, Toilette und Waschmöglichkeit vorhanden und sauber.
26.05.: Burgos – San Bol (27,4km)
Morgens beim Schuhe anziehen verabschiede ich mich von Joel
und Yvonne, dem französischen Pärchen, das ich die letzten Tage immer wieder
getroffen habe. Für sie ist der Weg hier beendet. Im Anschluss lerne ich noch
nebenbei in einem Gespräch mit Rocky eine Österreicherin (Annina) kennen. Rocky
bleibt wie erwähnt noch einen Tag in Burgos, Annina und ich sagen „bis
nachher“.
Ich bin froh auf dem Weg aus Burgos heraus zu sein. Nur
einmal wird mir mulmig, als ich knappe 500m an einem Gefängnis vorbeikomme und
die Durchsagen der Wärter durch den Wind zu uns getragen werden. Auf dem Weg
lerne ich ein interessantes Gespann kennen. Gregor und Daniel. Greg ist ca.
1,85m und Mitte 30. Daniel geht mir bis zur Schulter und sieht aus wie 15. Sein
Rucksack ist grösser als meiner und somit fast genauso groß wie er. Nachher
sollte sich noch herausstellen, dass es sich um ein französisches Programm für
Kinder und Jugendliche handelt, die aufgrund welcher Vorgeschichte auch immer
die Möglichkeit bekommen sollen, ihr Leben zu ändern. Ich vermute, dass es wohl
der Versuch ist, ihn aus seinem sozialem Umfeld zu holen, um ihn sich über ein
Jahr begleiteter Weise entwickeln zu lassen. Ein netter kleiner Kerl, aber leider,
abgesehen von ein paar Brocken, verfügt er über keinerlei Englischkenntnisse.
In Hornillos erwartet mich eine Begegnung der besonderen
Art. Beim Check-In in die Herberge werde ich zusammen mit einer Armada Asiaten
und der Österreicherin von heute Morgen in den Schlafsaal geführt. Als die Hospitalera
allerdings fragt, ob wir ein Paar sind und wir verneinen, heißt es: Schade Señor
Sebastian. Kein Paar, kein Bett, zumindest für mich. Ich sage nur müde „Gracias
Señora“. Annina wünscht mir trotzdem noch einen guten Camino. In der nun
folgenden Mittagshitze durch ein Gebiet ohne Schatten zu laufen, ist nicht der
Traum eines Pilgers. Die langsam aufkommende Wut über die Tatsache, abgewiesen
worden zu sein, nutze ich, um das Tempo zu verschärfen. Es gibt nur zwei
Möglichkeiten. In etwa sechs Kilometern gibt es eine Quelle mit einer dem Guide
nach sehr spartanischen Ausstattung, ohne Dusche und warmes Wasser. Nur für
Abenteurer empfohlen. Die andere Möglichkeit liegt fünf Kilometer weiter. Das
wären dann insgesamt über zwei Stunden zu laufen, wenn man
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