Keiner wie er (German Edition)
seit über zwölf Stunden trug. Scheinbar unverzichtbar hierbei der Body. Diesmal cremefarben, neben einer gleichfarbigen Hose und hohen Schuhen. Das Ganze wurde durch eine schmale, dunkle Kette aufgelockert und das Haar trug sie wieder auf diese verrückte Art hochgesteckt. Wie für einen Staatsempfang hergerichtet.
Beide sprachen nicht und so fuhr Daniel weiter. Hinein in eine Zukunft von deren Aussehen er keine Ahnung hatte.
10.
Millers kleines Häuschen lag direkt am Cayuta Lake.
Daniel kannte den Ort, allerdings herrschte bei seinem ersten und bisher einzigen Besuch tiefe Finsternis, sodass er von der Umgebung nicht viel ausmachen konnte.
Als sie am frühen Abend des gleichen Tages eintrafen, registrierte er verblüfft, wie malerisch es hier war. Genau das, wonach er suchte:
Die Einfahrt ging von einer selten befahrenen Landstraße ab.
Von außen wirkte das Haus unscheinbar. Nicht einmal einen Briefkasten machte er aus. Allerdings atmete Daniel auf, als er den Stromanschluss sah. Soweit hatte Miller es dann wohl doch nicht kommen lassen. Bestechend jedoch wirkte der stille Arm des Sees direkt vor dem Haus. Innerhalb weniger Sekunden stand man am Ufer und blickte auf ein naturbelassenes Idyll, wie man es nur noch selten zu sehen bekam. Umgeben wurde das kleine, beschauliche Areal von dichten Wäldern. Nichts ließ darauf schließen, dass man innerhalb von zwanzig Minuten wieder die dichte Zivilisation Ithakas erreichen konnte.
Das Innere des Hauses erwies sich als schlicht, jedoch behaglich. Zwei Schlafzimmer standen zur Verfügung, wie Daniel erleichtert und Tina mit einem spöttischen Blick bemerkten. Daneben existierten eine Küche und das urtümliche Wohnzimmer. Kein Fernseher, dafür ein riesiger Kamin und schwere Holzmöbel – woran man wohl am besten sah, dass Miller nicht mehr zu den Jüngsten zählte. Das einzige Bad offenbarte sich bemerkenswert luxuriös ausgestattet.
Ob es Tina gefiel, wusste er nicht, die ließ keine Reaktion blicken. Übrigens empfingen sie im Flur drei Trolleys und eine kleinere Reisetasche. Tom war mit dem Flugzeug schneller gewesen. Und als Daniel den Kühlschrank inspizierte, fand er jede Menge frischer Vorräte.
Schließlich standen sie im Wohnzimmer und er wirkte nicht nur ratlos, so lautete derzeit sein zweiter Vorname.
Was nun?
Nach einer Weile, inzwischen gestaltete sich Tinas spöttischer Blick recht beißend, hob sie die Schultern, raffte ihr Gepäck zusammen und begab sich in eines der Schlafzimmer. Daniel beschloss, ihrem Beispiel zu folgen. Allerdings erst, nachdem er vorsorglich den Wagen außer Betrieb genommen hatte.
Man konnte nie wissen.
Dann ging er in das andere Zimmer und legte sich auf das breite Bett. Tatsächlich fühlte er sich so müde, dass selbst sein Hunger jede Bedeutung verlor und auch, dass Tina ebenso hungrig sein würde.
Es musste warten, bis er wenigstens etwas Schlaf getankt hatte. Vorher war jeder vernünftige Gedanke unmöglich.
Schlafen ...
* * *
Angestrengt überlegte Tina, ob sie sich möglicherweise auf einer grotesken Reise in die Vergangenheit befand.
Zunächst war sie davon ausgegangen, nicht einmal dieser Idiot könnte annehmen, so etwas würde funktionieren.
Doch der irre Prof meinte offensichtlich nicht nur, er würde hier eine Art Samariterdienst leisten, darüber hinaus schwamm er bereits auf der nächsten Nostalgiewelle. Und als sie sah, wohin er sie verschleppte, machte sich neben der Wut und den brutalen Rachegelüsten noch ein dritter Faktor bemerkbar:
Panik.
Wo genau sie sich befanden, wusste Tina nicht. Auf jeden Fall recht weit östlich, denn der kalte Wind blies ihr unangenehm um die Ohren, als sie aus dem Wagen stieg, und verstärkte die rasenden Schmerzen, die sich zunehmend in ihrem Kopf heimisch fühlten.
Tatsächlich stellte sie derzeit seine Gefangene dar. Bisher nur ein ironischer Gedanke, entpuppte er sich plötzlich als grausame Realität. Tina, die seit zehn Jahren ausschließlich selbst entschied, was mit ihr geschah, sah sich mit einem Mal um ihre Selbstbestimmung gebracht. Alles in ihr verlangte danach, zur Not in diese verdammten Wälder zu flüchten oder über den See ans andere Ufer zu schwimmen. Nur weg von ihm und dem, was er mit ihr plante. Sie verspürte ...
… keine Angst, denn dergleichen wurde vor langer Zeit ersatzlos aus ihrem Leben gestrichen. In ihr meldete sich jedoch eine bizarre Klaustrophobie, als sie das winzige Haus am See sah, das wie in einem Tal eingebettet
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