Keinesfalls Liebe (German Edition)
in ihn. Ich will seine Hand halten, ich will ihn küssen und – ja, verdammt, ich will mit ihm ins Bett“, schloss sie trotzig.
Ich lachte herzlich. „Na ja, das muss nicht unbedingt Verliebtsein bedeuten …“
„Ich habe keine Schmetterlinge im Bauch, sondern Adler, und zwar mindestens hundert“, erklärte sie grimmig.
„Okay. Du bist verliebt.“
Sie knurrte beinahe. „Ich weiß. Ich weiß auch, was Liebe ist. Ich hab vor zwei Jahren mal einen Kerl geliebt, so richtig. Nur – daraus ist nichts geworden.“
„An was lag das denn?“, fragte ich behutsam.
Sie prustete. „Er war schwul und hat mich mit einem Kerl betrogen.“
„Oh je.“ Jetzt hatte man mir weiße Farbe ins Gesicht geschüttet; sämtliches Blut strömte irgendwo hin, wo ich es gerade nicht brauchte. Mir wurde sogar ein wenig schwindelig.
Als ich den großen Raum betrat, in dem an der Wand Staffeleien mit begonnenen Selbstporträts lehnten, wusste ich wieder, warum sich etwas in mir gegen diesen Morgen gesträubt hatte.
Ich war einer der Ersten. Die zwei Mädchen, die sich nicht entscheiden konnten, ob ich womöglich schottisches oder irisches Blut hatte, begrüßten mich überfreundlich. Ich schoss ihnen einen genervten Blick zu und bereitete meinen Arbeitsplatz vor.
Kaum hatte ich mir einige Holzstifte und einen Bleistift parat gelegt, betrat das Engelsgesicht den Raum. Heute achtete ich zum ersten Mal auf seine Kleidung, vermutlich, weil sie heute unübersehbar war: Er trug eine eng anliegende, rote Röhrenjeans, schwarze Lackschuhe und ein himmelblaues Hemd mit silbernen großen Knöpfen.
Er setzte sich, wie gestern, neben mich.
„Hallo“, sagte er heiter. Es hörte sich fast an wie Vogelgezwitscher.
Demonstrativ starrte ich mein unvollendetes gezeichnetes Gesicht an.
„Och. Du bist doch nicht etwa sauer auf mich, Jo?“
Du interessierst mich kein bisschen! , wollte ich brüllen. Ich sog lediglich tief die Luft ein, schlug die Beine auf meinem Hocker übereinander und betete, ich möge das Gleichgewicht behalten.
Zu meiner großen Überraschung seufzte Ryan, dann sagte er nichts mehr. Weder, als die Langley auf ihre typisch schwungvolle, rauschende Art und Weise hereinkam, noch nach der Stunde, während ich meine Sachen zusammenpackte. Ich war so
irritiert, dass ich ihm einen kurzen Blick hinterherwarf, als er als Erster ging.
Ich hatte es mir am frühen Nachmittag auf dem Sofa im großen Wohnzimmer gemütlich gemacht und versank in einem meiner deutschen Bücher, die ich mit hergenommen hatte, als Sean mich aus meiner Lesetrance riss.
„Hey, Jo.“
„Endlich!“ Ich setzte mich etwas auf. „Ich hab mich schon gefragt, wo du den ganzen Tag warst.“
Er zuckte unbehaglich mit den Schultern. „Mit Carlos an der frischen Luft. Wir haben lange geredet und die Zeit vergessen. Aber auf dem Rückweg hab ich uns einen Tisch im ‚Mexico Café‘ reserviert. Du hast doch mal erwähnt, dass du gern Mexikanisch isst, oder?“
„Ich liebe mexikanisches Essen“, seufzte ich. „Wann geht’s los?“
„Nachher um sieben.“
Ganz spontan beugte ich mich vor und umarmte ihn, denn ich sah ihm an, dass er sich über Carlos den Kopf zerbrach. Zuerst spannte er sich überrascht an, dann legte auch er die Arme um mich und seufzte tief.
„Danke“, flüsterte er, als ich ihn losließ. „Das hat gut getan.“
„Gerne“, flüsterte ich zurück. Es tat mir weh, diesen gutmütigen, herzlichen, liebenswerten Menschen leiden zu sehen. Ich umarmte ihn noch einmal.
Carlos hatte sich geweigert, sein Bett zu verlassen, als ich mich mit Sean und Celine ausgehfertig machte. Ich zog eine uralte Jeans und ein marineblaues, langärmliges Oberteil an; draußen kühlte es schon langsam ab.
Das The Mexico Café befindet sich in der East Highland Avenue, schräg gegenüber dem Perris Hill Park. Sean parkte etwas abseits, und so schlenderten wir durch San Bernardino. Ich genoss den Blick auf das Gebirge am Horizont.
„Wie wär’s eigentlich mal mit einem Abstecher nach L.A.?“, fragte Celine; sie musste laut sprechen, um den Verkehrslärm zu übertönen.
„Ich bin sofort dabei“, sagte ich, „Das ist ja wohl klar.“
„Ich hab am Wochenende einer Party von einem Bekannten zugesagt. Reicht es dir nächstes Wochenende?“, fragte Sean. „Dann fahren wir zu dritt.“
„Klar. L.A. läuft mir ja nicht weg.“
„Wer weiß.“ Celine grinste breit. „Vielleicht macht es einen großen Satz und puff!, es verschwindet im Meer.“
Sean
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