Keinesfalls Liebe (German Edition)
ich mir eilig den Mund mit Enchiladas füllte, um nicht intuitiv meine Worte zurückzuziehen – was nur noch mehr Aufmerksamkeit auf sie lenken würde.
„Du stehst also auf Frauen, was, Jo?“, neckte Sean; sein Grinsen war zärtlich. Er tätschelte mir die Hand, in der ich keine Gabel hielt, als ich – knallrot – mein Essen in mich hinein schaufelte.
Auch Celine lächelte voller Verständnis.
Eigentlich hätte ich mich lautstark gegen so etwas gewehrt. Aber es war schon sehr anstrengend, mich selbst zu belügen. Ich wollte mir nicht noch die Mühe machen, mich vor meinen neuen Freunden zu verteidigen.
Celine und Sean begannen ein Gespräch über Leute an der Uni, die ich nicht kannte, zumindest nicht von den Namen her, und ließen mir freundlicherweise Zeit, mich ein wenig abzuschotten, soweit das hier möglich war.
Ryan und Daniel hatte ich natürlich nicht vergessen. Ihre Anwesenheit war körperlich spürbar. Doch irgendwas an diesem Abend hatte mich gelockert, offener gemacht. Ich konnte es nicht in Worte fassen, und obwohl mir bei dem bloßen Gedanken die Schamesröte ins Gesicht stieg, musste ich mir auf einmal vorstellen, wie es rüberkommen würde, wenn ich einfach aufstehen und zu diesem Tisch gehen würde, um mich zu Daniel zu setzen.
Es wäre eine Niederlage, definitiv. Es würde beweisen, dass ich mich seit dem ersten Blickkontakt zu ihm hingezogen fühlte. Dass mich unsere „Begegnung“ auf der Toilette berührt hatte.
Dass ich tatsächlich auf Männer stand. Mir selbst war es schon seit einem Jahr unangenehm klar; ich hatte versucht, diesen Gedanken zu verdrängen. Ich hatte mich so darauf gefreut, meinen Dämonen zu entkommen, und jetzt saß ich hier in San Bernardino, Kalifornien, und wurde von dem schwulsten Mann in ganz Amerika betrachtet, ohne Unterlass und voll unverhohlener Begierde.
Letztendlich entschloss ich mich dafür, mich nicht zu verstecken, zumindest nicht vor mir selbst.
Ich bin also schwul , dachte ich. Na und? Was soll’s? Was ist schon dabei? Ich seufzte tief und schob mir den letzten Bissen Enchiladas in den Mund. Ja, es war viel dabei, wenn man von einer schwulen Sexbombe angeflirtet wird.
Noch etwas, das mir Rätsel aufgab: Warum ausgerechnet ich?
Ich dachte noch eine ganze Weile darüber nach, was Daniel an mir finden konnte, bis mich Sean mit einer Frage aus meiner Trance riss.
„Nachtisch für dich, Jo?“
Ich fuhr zusammen. „Für mich? Oh, ähm, ja. Schokoeis mit Sahne.“
„So schlicht? Ist das etwa deine Vorliebe bei Desserts?“, entgegnete Celine grinsend.
„Meine Vorlieben sind schlicht und lecker!“, verteidigte ich meine Wahl.
Celine und Sean prusteten. Ich machte mir bis zum Zahlen Gedanken darüber, was sie meinten.
Ich zwang Sean und Celine dazu, sich einladen zu lassen. Ich hatte schließlich Geld im Überfluss. Sie wehrten sich vehement, aber der Kellner war auf meiner Seite. Schließlich wollte er sein Geld.
Wir hatten gerade das Restaurant verlassen – die Sonne war schon untergegangen – und liefen plaudernd in Richtung unseres Parkplatzes, als hinter mir mein Name gerufen wurde.
Unbehaglich schlang ich die Arme um meinen Körper; die Kälte drang mit Leichtigkeit durch meine Strickjacke. Bevor ich mich umdrehte, wunderte ich mich noch darüber, dass ich mich irgendwie nach Daniel sehnte, und versuchte zu unterdrücken, welche Gefühle in mir aufwallten, als ich ihm in das attraktive Gesicht sah. Herrgott noch mal, Jonas Müller! Du hast diesen Kerl zweimal gesehen und schon – argh! Du hast dich den Männern zu lange verweigert, sodass es dich jetzt umso heftiger trifft. Ja, ja, das muss es sein. Also. Dreh dich um und geh weg!
Daniel stand etwas abseits von seinen Jungs, lächelnd, und winkte mich allen Ernstes zu sich. Ohne mein eigenes Zutun lief ich ihm entgegen. Klack, klack , machten meine Schuhe auf dem Asphalt, und ich stand vor ihm.
„Was ist?“, fragte ich, gespielten Hochmut in der Stimme. „Ich muss mich noch auf Samstag vorbereiten.“
Muss ich erwähnen, dass das an einem Dienstagabend etwas seltsam klingt? Nein, ich denke nicht.
Daniel grinste; mir wurde ganz, ganz warm. „Du sagst also nicht ab?“
Moment mal – woher wusste er das? Hatte er mich so aufmerksam belauscht?
„Nö, warum sollte ich?“, erwiderte ich spöttisch und war mir sicher, dass ich viel zu hochnäsig klang, als dass er mich nicht durchschaut hätte.
Meine Befürchtung bewahrheitete sich, denn er kam noch einen Schritt näher,
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