Keinesfalls Liebe (German Edition)
musste, und er flehte mich an, aufzuhören. Aber ich konnte es nicht, weil – ich weiß nicht, warum, denn ich wollte aufhören. Ich wollte wirklich, nur … es funktionierte nicht. Und dieses Bedürfnis, das war nicht nur körperlich, Jo. Ich wollte ihm so nah sein, wie nur möglich, ich musste ihm so nah sein wie möglich, um nicht durchzudrehen, weil ich so viel Angst hatte, ihn zu verlieren.
Daniel verstand nicht, wie ich ihm so wehtun konnte. Die ganze Zeit über weinte er, ohne Unterlass, und flehte und flehte, und schrie mich an, wieso ich ihm das antat, wieso ich sein Vertrauen so mit Füßen trat. Das Schlimmste war …“ Grey unterbrach sich selbst, schien kurz zu überlegen und schüttelte dann gequält den Kopf. „Daniel wird nie wieder Daniel sein. Den Mann, in den du dich verliebt hast, Jo, gibt es nicht. Er ist das Produkt eines Traumas. Meinen Daniel, den Daniel, der mich immer noch liebt, den wirst du nie kennenlernen, und das ist der einzige Grund, warum ich dich als Sohn sehe und dich nicht töte – denn wäre Daniel noch er selbst, dann könnte ich nicht ertragen, dass er einen anderen liebt. Fakt ist, wäre Daniel noch er selbst, hätte er sich nie in einen Mann verliebt, wie du es bist.“
Jetzt weinte nicht nur Daniel in der Vergangenheit, sondern auch ich. Mehrmals hatte ich Grey sagen wollen, aufzuhören, aber es war nicht über meine Lippen gekommen. Hätte ich Daniel nicht geliebt und wäre Greys Tat nicht so schrecklich gewesen, hätte ich vielleicht gemerkt, dass es mir gerade genauso ging wie Grey: Ich wollte, aber ich konnte nicht, ganz egal wie heftig ich es auch versuchte. Doch seine letzten Sätze schnitten mir tief ins Herz. Es war nicht gemein von ihm, sie auszusprechen – er war ehrlich, und das rechnete ich ihm hoch an. Nein. Es war das mit Abstand seelisch Schmerzhafteste, das ich jemals erleiden musste, denn jedes einzelne Wort entsprach der Wahrheit. Die Tatsache, dass der heutige Daniel mich liebte – und Grey es wusste, es vielleicht über Ryan erfahren hatte – stellte einen großen Trost dar. Und doch wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich den Mann, den ich liebte, eigentlich nicht kannte.
„Er wird sich mir öffnen“, flüsterte ich und bohrte meinen Blick in Greys. „Ich weiß das.“
Grey lachte bitter und hart auf. „Du liegst falsch, Jo. Sei ehrlich! Wie würdest du durchs Leben gehen, wenn deine große Liebe dich nach einer wundervollen Beziehung plötzlich vergewaltigt? Was würdest du tun? Einfach weiterleben wie bisher? Dass ich nicht lache!“
„Er wird sich mir öffnen. Ich weiß es“, wiederholte ich leise.
Grey stand auf und ging, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Ich war froh, ihn nicht weiter ansehen zu müssen, aber als er hinter sich die Tür schloss, drückte mir die plötzliche Stille fest auf die Ohren. Ich fühlte mich wie nach einer unangenehm wilden Karusselfahrt und wusste, dass Grey noch nicht fertig mit mir war.
Meine Gedanken bewegten sich in Kreisen und kamen einfach nicht ans Ziel; ich war nicht dazu in der Lage, mich auf eine Tatsache zu konzentrieren, weil eine Millionen andere Erkenntnisse dazwischen funkten. Ich sah einen weichen, zurückhaltenden Daniel vor mir und versuchte das Bild festzuhalten, aus brennender Liebe, drängender Neugier und beißender Eifersucht, aber mit diesem Bild kam ein weiteres, ein unerträgliches: derselbe Daniel, vergewaltigt und verraten. Und der neue Daniel, den es eigentlich nicht gab, der nur eine Maske war, die sich ein anderer Mensch über das Gesicht gestreift hatte, um sich zu schützen.
Die Tür ging auf, und mein Verdacht, Grey hätte nicht aufgegeben, schien sich zu bestätigen, aber als ich den Blick hob, rann erst Eiswasser und dann Hitze durch meinen Körper.
Es war Daniel. Er starrte mich unverwandt an und ich starrte unverwandt zurück, als würden wir uns zum ersten Mal sehen – und irgendwie stimmte es ja. Der Daniel, der in meinem Krankenzimmer stand, wirkte verletzlich und weich.
„Ich bin froh, dass du lebst“, sagte er leise.
„Ich weiß“, erwiderte ich nach einem kurzen Zögern.
Daniel schloss die Tür und kam langsam zu mir. Jetzt war er es, der zögerte, aber letztendlich setzte er sich an den Bettrand und nahm meine Hand, meinem Blick ausweichend.
„Ich hoffe …“ Er schluckte; in seinen dunklen Augen glitzerte es nass. „Ich hoffe, dir ist bewusst, dass ich gelogen habe.“
„Ja“, sagte ich, hob seine Hand und küsste jeden einzelnen
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