Keinesfalls Liebe (German Edition)
ergriffen hatte, und suchte und suchte nach Antworten, die nicht kamen und nicht kamen. Ich befand mich in einer Art Fieber, das mich aus dem Wohnheim trieb, in Seans Auto, in die kalte Nacht.
Ich weiß nicht mehr, wie lange ich durch die Stadt fuhr, bis ich zu der Erkenntnis kam, dass das alles nur ein böser Traum war. George war nicht in das Haus gekommen, Daniel war nicht explodiert und wir waren beide in der Lage, einander zu lieben. Ja, so musste es sein!
Ich erinnere mich an irgendetwas, auf das ich benebelt zu fuhr, und an den Knall und einen scharfen, dröhnenden Schmerz in meinem Kopf und einen kürzeren, weicheren in meinem Fuß. Dann nur Schwärze.
Eine gefühlte Sekunde später schlug ich die Augen auf, schaute in grelles Licht und ekelte mich sofort: Es roch nach Krankenhaus.
Da war noch etwas.
Irgendjemand beugte sich über mich.
Nein. Nicht irgendjemand.
Er.
Mir stockte der Atem, und eine Welle der Furcht ließ meinen ganzen Körper erbeben, als Michael Grey mich anlächelte. In seinen rosa Augen, die leicht zusammengekniffen waren wegen dem Licht, funkelte es triumphierend. Ich bekam eine unangenehm starke Gänsehaut.
„Hallo, mein Sohn“, sagte er zärtlich und küsste mich auf die Stirn.
Liebe ist gefährlich
Das Gefühl, ihm vollkommen ausgeliefert zu sein, raubte mir den Atem. Mir entwich ein kindliches, verängstigtes Geräusch, und ich fragte Gott gedanklich, warum er mir das antat, und warum jetzt. Ich lag in einem Krankenhaus, ich hatte heftige Kopfschmerzen, mein Magen krampfte sich immer wieder zusammen und noch dazu kam es mir so vor, als würde ich in einer Achterbahn sitzen; die Welt bewegte sich so unglaublich schnell und ruckartig. Flüchten war keine Option. Grey hatte mich in seiner Gewalt.
„Jo, beruhig dich“, sagte er plötzlich.
„Das sagt der Richtige!“, zischte ich, gegen meine Übelkeit kämpfend. „Geh und lass mich in Ruhe!“
„Du solltest dich wirklich beruhigen. Du hattest einen Autounfall – und eine Menge Glück. Laut dem Arzt dürftest du nur eine leichte Gehirnerschütterung haben. Und eine kleine Fußverletzung, die ganz bestimmt ohne Schwierigkeiten verheilen wird.“
„Was willst du?“, fragte ich, und mein Tonfall machte deutlich, wie sehr ich gewillt war, ruhig zu bleiben. Wenn er mich noch mal anfasste, würde ich ihm das Gesicht zerkratzen, Gehirnerschütterung hin oder her!
Greys Blick wurde gefährlich, widerlich sanft. „Das weißt du. Ich will dich .“
„Das kannst du ver–!“
„Hör mir für eine Minute zu, Jo“, unterbrach er mich und nahm meine Hand, die ich ihm ganz schnell wieder entzog. „Als Paul gestorben ist, bin auch ich gestorben. Ich habe gedacht: Mein Sohn, der mich liebte, ist tot. Ryan hasst mich. Daniel hasst mich. Da war es ein wahrer Lichtblick, als sich mir offenbart hat, dass du Pauls und Ryans Halbbruder bist. Jo, bitte lass mich dir sagen, dass ich meine Söhne stets beschützt und aus allem herausgehalten habe. Ich hätte sie niemals in Gefahr bringen können, ich hätte mein Leben für sie gegeben, und ich würde mein Leben auch heute noch sogar für Ryan geben, obwohl ich ihm nichts bedeute.“
„Diese Mitleidsnummer kauf ich dir nicht ab!“
„Lass es uns wenigstens versuchen.“ Von dem Flehen in seiner Stimme fühlte mein Magen sich aufgefordert, in meinem Bauch herumzuschlingern. „Ein einziger Versuch. Ein einziger. Bitte. Gib uns nur eine Chance, eine Beziehung aufzubauen. Eine Vater-Sohn-Beziehung. Ja? Bitte.“
Etwas in mir regte sich: schwaches Mitleid gepaart mit Sehnsucht danach, endlich von jemandem wie ein Sohn behandelt zu werden. Grey versprach mir all das, was meine Mutter mir nie gegeben hatte, und damit meinte ich nicht sein Geld. Liebe, Zärtlichkeit, Schutz, Wärme. Danach sehnt sich jeder und mir wurde es in diesem Moment angeboten.
Ich liebte Daniel. Das konnte ich ihm schlichtweg nicht antun.
„Nein“, sagte ich leise und schüttelte dabei den Kopf. „Nein, nein. Vor ein paar Wochen hätte ich vielleicht ja gesagt. Aber Daniel hat es mir erzählt, weißt du. Daniel hat mir erzählt, was du ihm angetan hast, du dreckiges, ekelhaftes Arschloch.“
Greys Gelassenheit ließ mich unwohl erschauern. Der Kerl tickte nicht richtig.
„Ich habe mir bereits gedacht, dass Daniel es dir sagen wird“, murmelte Grey und schaute auf seine eigenen Hände, die leichenblass auf seinen Knien ruhten. „Hat er dir auch gesagt, dass wir uns geliebt haben?“
„Hast du ihn deshalb
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