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Keinmaerchen

Keinmaerchen

Titel: Keinmaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil
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unterbringen. Als Herr Blum auftauchte, habe ich beschlossen, dass er der absolut letzte Mitbewohner ist. Die Bude ist einfach zu klein. Das siehst du doch ein?”
    Der Junge nickte. “Ich möchte nicht hierbleiben”, sagte er. “Aber du scheinst viel über die Albe zu wissen. Du beschäftigst dich schon lang mit ihnen, nicht wahr?”
    “Lang? Hm. Was bedeutet Zeit an einem irrealen Ort? Aber du wirst sicher recht haben.” Er legte den Kopf des Albs frei, die spitzen Ohren, die scharfen Zähne.
    “Kannst du mir etwas über die Albe erzählen? Bitte, ich möchte … Ich muss verstehen.”
    “Ha! Du bist ein humoriges Kind. Wie kann man etwas verstehen, das gar nicht existiert? Du klingst wie Herr Blum.” Er senkte seine Stimme zu einem heiseren Brummen. “Ich muss sie katalogisieren. Muss ihre Anatomie erforschen und ihre Gehirne zerschnipseln.” Er kicherte und machte eine kreisende Bewegung mit dem Finger. “Er glaubt tatsächlich, dass sie echt sind. Und was sagt uns das? Hm? Hast du vorhin aufgepasst?”
    “Er ist verrückt?”
    “Ja!” Der Patient sprang aus dem Sessel und tanzte im Kreis herum, dann setzte er sich wieder. “Ich bin ein wirklich guter Lehrer.” Zufrieden lächelnd nahm er seine Arbeit wieder auf.
    “Und dieser Herr Blum”, sagte der Junge. “Er erforscht also die Albe? Weiß er auch, wo sie hergekommen sind?”
    “Junge. Denk mal einen Augenblick über diese Frage nach.”
    “Sie existieren nicht, sagst du, also kamen sie auch nirgends her.”
    “Korrekt!”
    “Aber was glaubt Herr Blum über sie zu wissen?”
    “Das müsstest du ihn schon selbst fragen. Aber ich rate dir davon ab. Herr Blum ist verrückt, das weißt du ja schon, aber er ist auch …” Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. “Merkwürdig. Ja, ich denke, merkwürdig trifft es ganz gut.”
    “Ich würde trotzdem gerne mit ihm sprechen.”
    “Wenn du mich dann in Ruhe lässt, soll es mir recht sein. Aber sag hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Durch die Küche und dann links. Nun geh schon. Los, los.”
    “Darf ich noch eine Frage stellen?”
    “Meine Güte. Ich schätze, alle Menschen die dich kennen, laufen mittlerweile mit riesigen Löchern in ihren Bäuchen herum. Frag deine Frage und dann verschwinde endlich.”
    “Wer ist der Schattenmann?”
    Der Patient legte den halbfertigen Alb vorsichtig auf dem Tisch ab und platzierte das Messer daneben. Dann nahm er ein rotes Tuch aus der Hosentasche, band sich die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen, zog eine rote Weste unter dem Tisch hervor und streifte sie über. Sie war zu klein und spannte an den Schultern. “Frag ihn niemals nach dem Schattenmann”, sagte er dann mit einer hohen, kindlich klingenden Stimme.
    “Konstanze?”
    “Psst!” Sie lief zur Küchentür und lugte um die Ecke. “Ich habe Stubenarrest”, sagte sie dann, “und dürfte gar nicht hier sein. Und das nur, weil das Experiment ein klein wenig schief ging. So was Blödes. Das war doch nicht meine Schuld, dass Frau Schmitt ihre Dosen mit den Gewürzen nicht ordentlich beschriftet hat.”
    “Weißt du, wer der Schattenmann ist?”
    “Klar. Das weiß doch jeder. Aber ich darf nicht über ihn reden. Du könntest mir aber bei einem Versuch helfen. Die letzte Ladung war einfach etwas überdimensioniert. Wenn ich das in den Griff bekomme, dann …”
    “Entschuldige, aber ich kann nicht. Ich muss unbedingt mit Herrn Blum sprechen.”
    “Schade. Es ist ziemlich öde hier. Und ich dachte, wir beide … Na ja, egal. Ich kriegs auch alleine hin.” Sie verschränkte die Arme vor der Brust und tat, als beachtete sie den Jungen nicht mehr.
    Der Junge stand auf und legte ihr die Hand auf die Schulter. “Später”, sagte er. “Jetzt muss ich Herrn Blum suchen. Okay?”
    “Na gut.” Sie lächelte wieder. “Du scheinst nett zu sein. Aber frag Herrn Blum bloß nicht nach dem Zwischenreich. Dann hört er mindestens drei Jahre nicht mehr auf zu reden.”
    Der Junge nickt. “Alles klar, ich werds mir merken. Bis später also.” Er schlug die Decke zurück und betrat die Küche.
    An der Wand stand ein alter Gasherd, daneben ein Regal, mit verbeulten Konservendosen, Gewürzen und Flaschen in allen erdenklichen Größen. Er nahm eine davon in die Hand, zog den Korken heraus, rümpfte die Nase, und stellt die Flasche an ihren Platz zurück. Die Spüle war alt und stumpf, aber in der Küche herrschte Ordnung und alles war blitzblank geschrubbt. Auch hier gab es kein

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