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Keinmaerchen

Keinmaerchen

Titel: Keinmaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil
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und ziehe meine Schlüsse. Aus ihrem Verhalten und ihrem Handeln, ihren Erinnerungen, den Entscheidungen, die sie treffen. Wissenschaftliche Arbeit. Aber davon scheinen Sie nicht allzu viel zu verstehen.”
    “Nun ja.” Der Junge zuckte mit den Schultern. “Aber wie können Sie sie beobachten, wenn Sie hier drinnen sind und die Albe draußen?”
    Herr Blum lockerte seine Krawatte, nahm eins der Kästchen aus der Schublade, klappte den Deckel auf und suchte sich eine grün-gelbe Tablette heraus. “Möchten Sie wirklich nicht, nein?” Er spülte die Tablette mit einem Schluck Wasser herunter und klappte den Deckel wieder zu. “Ich sehe fern”, sagte er dann und starrte den Jungen herausfordernd an.
    Der Junge seufzte und rieb sich über die Stirn. “Ach so”, sagte er nur.
    “Ich kann sehen, was Sie denken, aber damit liegen Sie falsch! Wissenschaftliche Arbeit kann auf vielfältigen Grundlagen basieren. Und Fernsehen ist nicht schlechter als irgendeine andere!”
    “Ich denke, ich sollte jetzt gehen. Vielen Dank, für Ihre Hilfe, Herr Blum, aber es ist schon spät und ich muss noch …”
    “Ach, ihr törichten Ignoranten. Wie oft habe ich diesen Blick schon ertragen müssen. Wehren Sie nicht ab, genau diesen! Voller Ungläubigkeit und Mitleid. Der arme alte Tölpel. Aber lassen Sie sich eins gesagt sein: Sie werden niemanden finden, der die Albe so gut kennt wie ich. Niemanden!” Er zog eine Taschenuhr aus seiner Westentasche und klappte sie auf. “Ah! Grundgütiger! Fast hätte ich die neue Folge verpasst.”
    Er hastete hinter dem Schreibtisch hervor und klappte die Türen eines kleinen Schranks auf. Darin befand sich ein staubiger Röhrenfernseher. Er schaltete das Gerät ein und richtete die Antenne aus, bis der Schnee verschwand und ein leicht zittriges Bild zu sehen war. “Grundgütiger! Es hat bereits begonnen. Jetzt aber hurtig!” Er sprang praktisch auf seinen Stuhl, schob die Papiere zur Seite, nahm ein leeres Blatt und leckte den Bleistift an.
    Aus dem Lautsprecher krächzte Applaus und ein … Der Junge kniete sich dicht vor den Bildschirm und kniff die Augen zusammen … Mann? Tier? Dämon? trat auf die Bühne und verbeugte sich theatralisch nach allen Seiten.
    “Gehen Sie aus dem Bild”, sagte Herr Blum und wedelte aufgeregt mit den Händen. “Bitte! So setzen Sie sich doch etwas zur Seite. Die Sendung wird nur einmal ausgestrahlt, wenn ich sie verpasse, habe ich nie wieder die Chance …”
    “Was ist das?” Der Junge rückte zur Seite und zeigte auf den Bildschirm. “Welcher Sender …”
    “Psst! Still jetzt! Ich erkläre Ihnen später alles, aber schweigen Sie nun, um Himmels willen!”
    Der Dämon - der Junge hatte sich entschieden, ihn so zu nennen - ergriff ein Mikrofon und im Publikum herrschte absolute Stille. Nicht einmal das obligatorische Husten war zu hören. “Meine Damen und Herren, Wesenheiten, Stinknebel und Grünalgen, Hologramme, Dämonoiden und Diviniden, unbekannte Lebensformen und Transformierte …”, sagte er mit voller, leicht rauchiger Stimme.
    Herr Blum schrieb eifrig mit und der Junge sah gebannt zu, wie die dickste Frau, die er jemals gesehen hatte, ins Bild trat.

Conchúbar
    Der Regenbogen überspannte den Turm wie ein schützendes Dach, gleichzeitig schien er aus der Turmspitze zu entspringen und eben dorthin zurückzufließen. Das Weiß der Außenwände schimmerte wie Perlmutt, und wurde von einem leisen Summen eingehüllt. Conchúbar legte seine Hände an die kühle, glatte Fläche und schloss die Augen. Das Material vibrierte kaum spürbar. Nach einer Weile begann sein ganzer Körper zu kribbeln.
    “Strom”, sagte Nut. “Das klingt wie eine Hochspannungsleitung, am Haus meiner Großeltern führte eine vorbei.”
    Conchúbar zuckte die Achseln.
    “Elektrizität. Kennst du das nicht?”
    “Nein. Was ist das?”
    Nut kaute auf seiner Unterlippe. “Naja, damit kann man Geräte mit Strom versorgen. Sie antreiben.”
    “Die Räder treiben alles an. Und wir treiben die Räder an. Für was braucht man dann Elektrizität? Ihr Menschen seid merkwürdig.”
    Nut lachte. “Ja, da hast du recht.” Er deutete auf das Tor. “Gehen wir hinein?”
    Conchúbar sah sich um. Der Bahnhof lag in Trümmern, eine Rauchsäule stieg in den Himmel hinauf, dahinter war nichts. Neben dem Turm war nichts, in der Richtung aus der sie gekommen waren: Nichts. “Ja”, sagte er. “Wir gehen hinein.”
    Er hob den Körper des Mädchens auf und legte ihn

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