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Keinmaerchen

Keinmaerchen

Titel: Keinmaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil
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vorsichtig über seine Schulter. Dann griff er nach Nuts Hand, schob den rostigen Riegel zur Seite und wunderte sich nicht, dass das Tor von außen verschlossen war.
    Sie traten ein und standen vor einer Wendeltreppe, die sowohl nach oben, als auch nach unten führte. Die Stufen bestanden aus geflochtenem Metall. Conchúbar sah nach oben, konnte aber das Ende der Treppe nicht erkennen. Der Turm musste höher sein, als es von außen den Anschein gehabt hatte.
    Nach unten hin wandte sich die Treppe in eine undurchdringliche Dunkelheit. Man konnte die Kälte spüren, die sich dort unten abgesetzt hatte. Er legte eine Hand auf das Geländer und beugte sich weit vor, um besser sehen zu können. Das Geländer vibrierte noch intensiver als das Mauerwerk, doch das Summen wurde von einem unnatürlichen Brummen überlagert. Dort unten lebte etwas, das nicht lebendig war.
    “Das klingt wie ein Generator”, sagte Nut. “Das ist ein Gerät, das Strom erzeugt.”
    “Elektrizität.”
    “Genau.”
    “Ich würde sie gerne einmal sehen, eure Elektrizität.”
    “Das wird schwierig. Aber du kannst sehen, wozu sie gut ist. Licht, zum Beispiel. Und Wärme.”
    “Die Sonne spendet Wärme und Licht. Warum beschäftigt ihr euch mit so unnützen Sachen?”
    Nut dachte nach und zuckte schließlich mit den Schultern. “Ich würde lieber nach oben gehen”, sagte er. “Dort unten ist es so dunkel und kalt. Wie in einem Keller.”
    “Es ist gleich, wo wir hingehen, also nach oben.” Conchúbar legte das Mädchen auf die andere Schulter und betrat die Treppe. Das Vibrieren kitzelte an seinen Fußsohlen.
    Nut sah noch einmal in die Tiefe. Die Kälte schien auf ihn zuzukriechen und nach seinen Beinen zu greifen. Etwas Böses lauerte dort unten. Etwas Böses, das auf ihn wartete. Auf ihn, nur auf ihn. Er begann zu zittern, konnte sich aber nicht von der Stelle rühren.
    “Nut! Wo bleibst du denn?”
    Mit aller Gewalt riss er sich von der Dunkelheit los und rannte die Treppe hinauf. Seine Schritte hallten unheimlich von den Wänden wieder. Das Aggregat hustete und das Böse lachte. Nut nahm immer zwei Stufen auf einmal und klammerte sich an Conchúbars Hand, als er ihn endlich erreicht hatte. Seine Beine schmerzten und das Atemholen tat weh, aber er wollte so weit wie möglich weg von dem, was dort unten lebte. Denn etwas lebte dort, da hatte Conchúbar recht, aber das Etwas war nicht das Aggregat.
    Sie stiegen und stiegen, Stufe für Stufe für Stufe, und die Treppe nahm kein Ende. Nuts Muskeln begannen zu zittern und Conchúbar zog ihn bald mehr, als dass er selbst lief. Nach einer endlos langen Zeit bat der Junge um eine Pause. Conchúbar legte das Mädchen vorsichtig ab und sie setzten sich auf eine Stufe. “Vielleicht hätten wir doch nach unten gehen sollen”, sagte er.
    Nut schüttelte den Kopf. “Es geht gleich wieder, ich muss nur kurz verschnaufen.”
    Conchúbar sah nach oben. Noch immer war kein Ende der Treppe in Sicht und auch kein Absatz, an dem sich möglicherweise eine Tür befinden könnte, die zu einem Zimmer führte. Vielleicht gab es überhaupt keine Räume, nur diese Treppe, und sie würden ewig steigen und niemals ankommen. Dann fiel sein Blick auf merkwürdige Knöpfe an der Wand. “Was ist das?”, fragte er.
    “Das sieht aus wie Lichtschalter”, sagte der Junge.
    “Strom?”
    “Ja, man kann damit Lampen einschalten. Verstehst du?”
    “Künstliche Sonnen … Aber hier drinnen ist es taghell.”
    Nut wischte sich den Schweiß von der Stirn und kratzte sich am Kopf. “Es könnten auch Klingelknöpfe sein. Oder man schaltet etwas anderes ein. Ich weiß es nicht.”
    Conchúbar besah sich die Schalter genauer. “Klingelknöpfe geben Töne von sich?”
    “Ja, wir hatten eine Haustürklingel, die hörte sich an wie …”
    Conchúbar drückte einen der Knöpfe und die Treppe begann zu schwanken, dann setzte sie sich in Bewegung und fuhr abwärts.
    “Nein!” Der Junge sprang auf. “Nicht nach unten! Drück den anderen, schnell. Bitte!”
    Conchúbar rannte entgegen der Fahrtrichtung und versuchte die Knöpfe zu erreichen. Er steckte die Hand aus und konnte den Schalter schon an seiner Fingerspitze spüren, als eine automatische Klappe herunterfuhr und die Schalter abdeckte.
    “Es tut mir leid”, sagte er und hielt den Jungen fest im Arm. “Aber so kannst du mir die Elektrizität zeigen.”
    Nut schluchzte und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. “Wir springen ab”, sagte er. Wenn wir bei

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