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Keinmaerchen

Keinmaerchen

Titel: Keinmaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil
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es bei unserer Studie. Die Multirealität zu beweisen.
    Meine Mutter hält mich für überspannt, und die Ursache sieht sie - natürlich - darin, dass ich immer noch nicht verheiratet bin. Tja, Mama, ich fürchte, du musst dich langsam mit dieser Tatsache abfinden, denn ich habe nicht vor, diesen Zustand zu ändern.
    Der Überwachungssensor, mit dem unsere Vitalfunktionen überprüft und aufgezeichnet werden, stößt einen Warnton aus, ich muss meine Ruhezeiten einhalten. Unglaublich, dass ich mich darauf eingelassen habe. Aber ich bin Wissenschaftlerin, wir müssen alle Opfer bringen und im Gegensatz zu dem Opfer, das die Eltern dieser Kinder bringen, ist meines ein Fliegenschiss auf der Milchstraße.

Der Patient, Frau Schmitt und die anderen
    Es war wieder einer dieser Tage. Wahrscheinlich war es ein Montag. Es konnte sich nur um einen Montag handeln. Zuerst die Sache mit der Explosion und dann das. Der Patient rückte den Körper, den er sich lässig über die mächtige Schulter geworfen hatte, gerade und seufzte. Er mochte keine Störungen, schon gar nicht montags, wo sowieso immer alles schieflief.
    Er betrat das Wohnzimmer und legte den Jungen auf die Couch, setzte sich ihm gegenüber in seinen Lieblingssessel und beobachtete, wie sich die Brust des Jungen hob und senkte.
    Der Junge sah ziemlich mitgenommen aus. Er war schmutzig und abgemagert. Aber sein Hemd und die Hose waren einmal weiß gewesen. Er war einer von ihnen. Einer von den Irren. Wann hatte er das letzte Mal einen von ihnen gesehen? Das musste schon … Er kratzte sich an der Stirn und zuckte mit den Schultern. Aber es war mit Sicherheit an einem Montag gewesen. Schlechte Dinge passierten immer montags.
    Der Junge stöhnte und befühlte seinen Hinterkopf. Dann öffnete er die Augen. Seine Lider flatterten und es dauerte einen Moment, bis er sich orientiert und die Gestalt in dem roten Ohrensessel registriert hatte. Er schreckte zusammen und versuchte aufzustehen, fiel aber wieder auf das Sofa zurück. “Scheiße”, sagte er. Aber es klang eher wie das Zischeln einer Schlange.
    “Das sind die verdammten Downer”, sagte der Patient. “Es wird noch eine Weile dauern, bis du wieder runter bist. Da …” Er reichte dem Jungen ein Glas Wasser. “Trink das.”
    Der Junge trank gierig, hustete und spuckte seine letzte Mahlzeit auf den Boden. Dann sank er zur Seite und schlief ein.
    “Ich hasse Montage. Warum bin ich nicht einfach zu Hause geblieben?” Der Patient zog einen Läufer heran, warf ihn über die halbverdauten Spaghetti und trampelte darauf herum, bis alles wieder ordentlich aussah. Dann suchte er sich ein besonders vielversprechendes Holzstück aus und begann zu schnitzen. Span für Span legte er den gedrungenen Körper frei, der darin eingeschlossen war.
    “Wo bin ich?” Die Stimme des Jungen klang immer noch schwach.
    Der Patient legte das Holz und das Messer auf den kleinen Tisch und schenkte ein frisches Glas Wasser ein. “Trink”, sagte er. “Aber behalte deinen Mageninhalt dieses Mal bei dir.”
    Der Junge trank mit vorsichtigen Schlucken und reichte ihm das leere Glas. Dann fiel sein Blick auf das Regal an der hinteren Wand und er stand auf. Er legte seine Hände auf eins der großen Gläser und strich fast zärtlich darüber. “Wo hast du die her?”, fragte er. Seine Blicke wanderten über die unzähligen Einmachgläser in verschiedenen Größen. “So viele.” Er nahm das Holzstück vom Tisch und befühlte es ebenfalls. “Sie sitzt in seinen Flügeln. Die Angst.”
    “Ah. Du hast ein feines Gespür. Offenbar haben sie es noch nicht geschafft, dein Hirn vollständig zu Brei zu verarbeiten. Das ist gut. Aber jetzt leg ihn wieder hin, ich möchte nicht, dass er beschädigt wird.”
    “Sie sind noch am Leben, oder?” Der Junge zeigte auf die Einmachgläser. Einige der Albe kämpften einen aussichtslosen Kampf gegen die Glaswände, andere hatten aufgegeben und ließen sich treiben. “Was ist das für eine Flüssigkeit in den Gläsern?”
    “Es freut mich, dass du Interesse zeigst!” Der Patient setzte eine Lesebrille auf, an der der rechte Bügel fehlte, und strich sich die langen Strähnen aus dem Gesicht. “Konstanze schwört auf flüssigen Aether, aber das ist völliger Blödsinn. Aether ist zwar gut geeignet, um sie frischzuhalten, aber man muss ihnen zusätzlich Nährstoffe zuführen, sonst gehen sie nach spätestens zwei Monaten ein. Frau Schmitt hat die perfekte Nährlösung gefunden, in der die kleinen

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