Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
ganz laut heraus: ‘Vorsicht, Jungs, es dürfen wohl neuerdings auch Schwule hierher kommen.’ Es war ein Haufen verklemmter Burschen da, nun konnten sie voll auf meine Kosten loslachen und fingen an, ohne mich zu nennen, über Schwule, Witze zu reißen. Ich sagte kein Wort, zog mir ruhig meinen weichen Dress an, flocht meinen Zopf und beim Rausgehen bemerkte ich locker: ‘Ja, ich habe auch das Gefühl, dass es hier Schwule gibt. Ich weiß bloß nicht, wer die seien könnten, auf jeden Fall, gehe ich jetzt mit siebenundzwanzig Mädels tanzen. Euch wünsche ich auch viel Spaß beim gegenseitigen Bekneten... Das Ergebnis war, dass sie mich dann in Ruhe ließen, und im nächsten Semester hatte sich die halbe Fußballmannschaft zum Ballett eingetragen.“
Beim aufbrechenden Lachen spüre ich bedrohend, dass es nicht nur das Lachen ist, was bei mir aufbrechen will. Ich muss kräftig schlucken, dass das Ergebnis meiner Völlerei nicht auf dem Tisch landet. Warum hast du dich so vollgefressen?! Aber mit ‘warum?’ komme ich jetzt nicht weiter.
Auch nicht mit einem heftigen Kiff, als Jimbo und Chris, auf eine Runde Plausch und Pfeife herüberkommen. Vergebens pumpe ich einige Kubikmeter süßen Rauch mit dem Gedanken; es kompensiere mein Völlegefühl, in meine Lunge. Am Ende bin ich nur total zugekifft, und mein Hirn wird immer dumpfer. Soviel verstehe ich noch, dass Chris meint:
„Die Ärzte untersuchen seit über zwanzig Jahren Marihuana nach seiner schädigenden Wirkung, aber sie konnten noch nichts nac hweisen.“
„Sie sollten lieber Alkohol und Nikotin verbieten“ sagt Jimbo, „denn das Kraut ist nur gefährlich, wenn man nachher Alkohol trinkt.“
Aber nein, das Kraut ist auch gefährlich, wenn man sich vorher so vollfrisst, wie ich, der immer noch mitlache, aber schon aus einer mit Watte gedämpften Entfernung. Ich verstehe kein Wort mehr, es kommen nur noch Wortfetzen zu meinem Bewusstsein, aber bis ich sie erfasse, kommen schon die nächsten, und sie leben alle ein eigenes isoliertes Leben. Um nichts auf der Welt würden sie sich zu einem Satz zusammentun. Für mich ist es Fakt, die Jungs sprechen Chinesisch, und das sogar mit Hebräisch gemischt...
Ich weiß überhaupt nicht, wann sie wieder verduftet sind, denn ich habe nur noch einen Wunsch: endlich einpennen zu dürfen. Kaum liege ich aber waagerecht, fängt mein Magen zu rebellieren an. Ich gebe mein Bestes, um ihn in Griff zu bekommen, aber als ich endlich das Gefühl habe, dass ich einschlafen kann, wirft er das Handtuch. Thja, nicht nur das Handtuch. Ich presse meine Hände aufs Maul und renne auf den Hof hinaus. Ein ausgiebiges Würfeln ins Gebüsch bringt mich dann total in Ordnung.
„Nun, du Idiot, dafür haste dich so voll gestopft! Das haste jetzt verdient. Vielfraß!“
Aber mein Magen nimmt es nicht auf sich, er wünscht mit einem kräftigen Rülpsen: Gute Nacht! Und ich schlafe wie ein in Milch gebadeter Bube bis zum hellen Morgen durch.
Als Boolah dann von seinem Gemach herunterkommt, habe ich schon seinen Kaffee auf den Tisch gestellt und höre im Lokalradio alte Rock ‘n’ Rolls. Draußen regnet es.
„Na, das hat jetzt begonnen“ sagt Boolah, als er vom Hofgang wieder hereinkommt. „Das geht jetzt den ganzen Winter durchgehend nur noch so, bis März werden wir keine Sonne mehr sehen. Im Februar beginnen die Leute darauf zu lauern, dass der Himmel sich ein bisschen klärt. Wenn irgendjemand dann einen handtellergroßen, blauen Fleck erblickt, rennt er sofort zum Nachbarn und erzählt es. Wir freuen uns alle darauf wie die Kinder, und streiten darüber, ob derjenige es richtig gesehen hatte: Ein ganzer handtellergroßer blauer Fleck! Das ist das größte Ding da im Winter. Haha...“
Das möchte ich aber nicht mehr abwarten. Wir einigen uns, dass es noch zwei Tage Kommunisten-Arbeit gibt, und dann Tschüß kostenloser Arbeiter...
Den Vormittag verbringen wir mit dem Weiterbau von Ray und Meggie s Haus. Das Gerippe ist so gut wie fertig, es fehlt nur noch das Dach. Das Wetter ist aber ungeduldig und gibt keinen Aufschub. Es regnet mit feuchter Ausdauer auf unser Baukunstwerk und uns selber herunter.
So kommen wir am frühen Nachmittag völlig durchnässt mit schlammbeschmierten Stiefeln in der Schule an, wo wir nur mal nachfragen wollen, wann wir wiederkommen sollen, um mit den Kids einen netten Plausch zu veranstalten. Aber sie lassen uns gar nicht erst gehen. Wir sollen, wenn wir schon hier sind, gleich
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