Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
als wäre sie aus dem Schulhof entsprungen. Diese Kreatur hypnotisiert mit ihren Händen verschiedengroße, kugelig strahlende, farbige Planeten im All. Diese Planeten schweben als Auflockerung in einem aus scharfkantigen bunten Buchstaben - unlesbarer Art - zusammengekneteten Universum.
„Hey!“ Ruft mich mein Freund und Kunstführer , Van aus der Träumerei zurück. „Schau den Typ dort! Ich kenne ihn. Er hat dieses Bild gemacht.“
Ich folge seinen Augen und sehe einen wohlgestalteten freundlich lächelnden Burschen mit kurzen Rastalocken unterm Baseballkap auf uns zukommen. Es kommt mir bekannt vor dieses „ich kenne diesen Typ“, demnach bin ich auch ein kubanischer Maler. Aber diesmal hat Van wirklich Recht, der junge Mann ist tatsächlich „Vulkan“, wie es mit Weiß in der rechten Ecke gesprüht steht. Er ist gekommen, um sein Werk zu bewundern und Veränderungen zu planen. Er steht, während ich ihn mit meinem Schwälgengeblabber überfalle, r uhig lächelnd da.
„Ein ganzes Jahr steckt drinnen. Ich könnte die Nachtschichten gar nicht zusammenzählen.“
„Ja “, sagt Van wichtigtuerisch, „das kann man immer nur nachts sprühen, und wenn die Bullen dich erwischen, kannst du sogar ein Jahr im Knast sitzen. Ja-ja!“
„Ah, so gefährlich ist es nicht mehr“ winkt Vulkan ab. „Es wissen alle, dass wir das hier machen. Aber, wenn die es wirklich wollten, könnten sie es nach dem Gesetz als Schädigung betrachten. Aber die Polizisten hier mögen auch das Schöne. Viel schwieriger ist’s, das Geld für die Farbe zusammenzukriegen. Ich hatte das ganze Jahr abgewaschen und geputzt und mein ganzes Geld für Spraydosen ausgegeben.“
„Ja-ja, der Graffiti kauft seine Büchsen selber“ ergänzt ihn Van.
„Weißt du“ setzt Vulkan fort, „diejenigen, die an dieser Kunst reich werden, malen selber überhaupt nicht. Die fotografieren unsere Werke und schreiben Bücher über uns. Das ist bei Euch bestimmt genauso.“
„Hm… “ schlucke ich kräftig.
„Schau , ich will, dass die Menschen hier täglich etwas Schönes sehen, wenn sie zur Arbeit gehen. Das kostet sie kein Geld, deswegen gibt es ihnen etwas anderes. Weißt du, das ist hier nicht Teil der rasenden Konsumgesellschaft. Es ist einfach Kunst, die hoffentlich in den Seelen der Menschen eine Spur hinterlässt... Die Kinder hier in dem Schulhof können jeden Tag das Schöne sehen, und ich hoffe; dass das ihnen in ihrem ganzen Leben viel bedeuten wird...“
Ich bin ergriffen und lasse auf der Stelle die Graffitis in die von Bosch’s, Picassos, Cr anach’s undsoweiter beherrschte Ecke meiner Seele ziehen.
Van ist so glücklich über seine gelungene Kunstführung, dass er mich sogleich zu einer Straßenparty einlädt. „Afro-kubanische Tanzparty. Du wirst sehen, das ist die richtige Party!“
In einer asphaltierten Baulücke steht ein Podest, und auf dem Podest die Musiker, nur Rhythmus Sektion: Congas, Bongos, Rumbas und drei Tänzerinnen in Gelb. Die Frauen, eine Schwarze, eine weiße und eine Mulattin, kreiseln ihre Hüften, schlängeln ihre Beine und schütteln ihre Oberkörper, was das Zeug hält. Die Rhythmus Sektion feuert sie mit Sambas, Rumbas und Merenques zu einem gelben Feuertanz an. Das Publikum, - Alte, Junge, Schwarze, Weiße, Mischlinge - rufen laut aus, um die Band anzuheizen, obwohl die es gar nicht nötig hat. Van treibt sich überall in der Menge herum, und als er wieder neben mir steht, zeigt er auf die heißblütige Mulattin: „Manuela ist meine Braut. Ist sie nicht bombig!“ lacht er. Manuelas wild-graziöse erotische Hüft- und Brustschwünge elektrisieren die ganze Band und stecken das Publikum an. Und wir tanzen alle. Menschen alleine, zu zweit oder in kleinen Gruppen. Manche unterhalten sich, aber rhythmisch schaukelnd. Ich schiebe meinen Tanz neben Van vor der Bühne. Was für ein Freudenfest! Jeder lächelt jeden an. Eine alte rundliche Frau mit einer Brille neben uns kommt dermaßen in Fahrt, dass selbst Manuela nach vorne wirbelt und ihr anerkennend den Rhythmus zu klatscht.
Van nutzt die folgenden Pause aus, um mich einigen seiner Freunde stolz vorzustellen. Alle sprechen spanisch, aber mit mir sind sie rücksichtsvoll. Van stellt mir auch einen hohlwangigen Freund vor: „Und das hier ist Leo, unser Vietnam-Star.“ Leo ist gar nicht begeistert über dieses Attribut.
„Van, warum musst du mich quälen“ sagt er so bitter, als ob er gerade Galle geleckt hätte. Aber er kann die Gelegenheit,
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