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Keks & Drugs & Rock 'n' Roll

Keks & Drugs & Rock 'n' Roll

Titel: Keks & Drugs & Rock 'n' Roll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Virág
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haste?“ fragt er verlegen.
    „Nun ... nur ein wenig Kleingeld. Schau, hiermit will ich mir das Essen verdienen“ und ich ziehe meine Flöte aus der Seitentasche.
    „Oh, schön“ sagt er mit aufglänzenden Augen. Ich fange an ein altes Tanzlied zu spielen, und bin nicht gewiss, ob es ihnen gefällt. Die beiden sind aber plötzlich so ergriffen, dass ich noch eine Weile gefühlergreifend rumtrillere. Sie sitzen da und trinken genussvoll die Töne. So ein Geschenk hätten sie schon lange nicht mehr bekommen, sagt die Frau. Sie bieten mir Hähnchen, welches sie gerade essen, und Rum an. Beim näheren Unterhalten fällt mir auf, dass er wesentlich jünger aussieht, als siebenundvierzig, wie er mir das sagt. Hinter der Maske sind beide schön und zerbrechlich, aber für die Außenwelt sind sie nur verlumpte Schwarze Penner. Sie sorgen sich um mich und belehren mich, wo ich in dieser Gegend hingehen kann, wo man schlafen kann. Aber ich soll einen Riesenbogen um die Hundertvierte Straße machen, die wäre die Gefährlichste. Sie selber meiden auch die Ecke dort. „Sei vorsichtig und pass auf dich auf, Junge“ wiederholen sie. „Wir sind besorgt um dich.“ Ich tanke soviel Liebe auf, dass ich selber davon strahle.
    Ich steuere natürlich gleich die Hundertvierte Straße an, - sie haben mich so neugierig gemacht - und biege gleich, die Häuserwände betrachtend, in sie hinein. Ich kann es nicht begreifen, was hier so fürchterlich gefährlich wäre. Die bröckelnden Wände sind schon in den Nachbarstraßen und über dem Tante-Emma Laden an der Ecke
     
    mit schönen Graffitibildern lebendig
    gemacht, und so geht es in dieser Straße weiter. Gegenüber einem eingerüsteten Haus auf einer großen Brandmauer zeigt ein Bild Domino spielende Männer um einen Tisch in doppelter Lebensgröße. Ich lehne mich an eine Stützsäule und kann mich kaum satt sehen an den gemütlich Dominosteine legenden Latinogesichtern, in deren Hintergrund sich eine Manhattan-Silhouette stapelt und im Vordergrund nirgends kein Alkohol. Ich verliere mich so tief in dem Bild, dass ich richtig zusammenzucke, als ein junger Schwarzer Kerl mich von hinten anspricht: „Was guckste denn, Typ?“ und er betrachtet mich von oben bis unten.
    „Ich ... ich, die Mauer. Es gefällt mir.“
    „Na ja, du hast schöne Arbeit geleistet.“
    „Hä? Arbeit? Was für Arbeit?“
    „Das Bild, was du anguckst.“
    „Waas, ich??“
    „Na klar! Du hast es doch gemalt. Ich habe dich gesehen, als du das gemalt hast. Ich kenne dich, du bist der kubanische Typ mit dem Zopf.“
    „Ich? Aber, ich war noch nie in meinem Leben hier ... Und bin kein Kubaner. Du verwechselst mich mit jemandem.“
    „Nein, nein ... komm, ich habe dich jeden Tag gesehen, als du das hier gemalt hast.“
    „Danke, wirklich, aber ich bin ehrlich das erste Mal hier.“
    Er schaut mich noch mal ganz genau an: „Hm, der Typ sieht genauso aus wie du ... Aber, wenn du nicht er bist, was suchst du denn hier?“
    „Ich laufe nur so herum. Ich mag die Graffitis hier.“
    Er holt stolz Luft und reckt sich, als hätte er all die Bilder selber gesprüht: „Ja, in dieser Stadt brauchen die Menschen nirgendwo so die Kunst wie hier im Harlem. Was du hier auf den Wänden siehst, ist alles Kunst. Und jeder kann sie angucken, ohne Geld! Aber, ich kann dir so etwas zeigen, was du bestimmt noch nie gesehen hast, weil die Schulhöfe die schönsten Graffiti-Galerien der Welt sind.“
    Er klopft nicht nur Sprüche, er führt mich auch zu der Schule an der Hundertsechs ten- Ecke- Madison Avenue.
    Die den Hof umgebenden hohen Betonmauern sind mit Namen aus eineinhalb menschenhohen, in bunten Farben prahlenden Buchstaben vollgesprüht: ARSON, SCEY, JONI56 ... Vor den Bildern auf dem Boden liegen die weggeworfenen Spraydosendeckel. Das schönste Bild in der „Galerie“ ist eine dreimannshohe und zwanzig Meter lange durchgehende Schöpfung. Es ist wahnsinnig farbig, ungewohnt bunt und besitzt eine eigenartige Harmonie. Eine sonderbare Figur beherrscht das Bild. Eine Kreatur mit dem gelbbraunen Oberkörper eines Mannes, dessen Kopf in einem zylindrischen Metallhelm gehüllt ist, und mit einem roten, mit Fischschuppen übersäten schneckenförmigen Unterkörper, der in einem spitzen Schwanz endet. Das geballte Rot hebt die Figur stechend heraus. Und ich beginne es auch langsam zu kapieren. Der Boden unter ihr ist eine gräuliche kraterübersäte Mondlandschaft, welche mit dem Asphalt vor der Mauer zusammenfließt,

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